3 vorwort 5 januar 9 februar 17 märz 25 april 37 mai 47 juni 57 juli 65 august 73 september 81 oktober 87 november 95 dezember 105 galerien und ausstellungsräume 112 literaturverzeichnis 113 personenregister 122 bildnachweis 127 dank 128 inhalt
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5 dieses buch ist ein wagnis. es ist der erste versuch eines kunstvereines, das leben und wirken der kunst eines jahres in seiner stadt – vor 25 jahren – darzustellen. dies mit dem ziel, auch weiterhin jedes jahr ein solches buch über die kunst in dresden vor einem vierteljahrhundert vorzulegen. mit der hoffnung, dass über eine nicht absehbare zahl von jahren ein kaleidoskop der kunst in dresden entstehe – und es im jahre 2040 über diesen beginn zu berichten gilt. welches jahr könnte für einen anfang besser geeignet sein als 1990, das jahr der großen zäsur? unser versuch, das leben und wirken der kunst eines jahres in dresden zu erfassen, hat nicht den anspruch auf vollständigkeit. dies wäre ebenso vermessen wie unrealistisch – und zudem langweilig. es geht uns darum, einiges von dem aufzuzeichnen und zu erinnern, was in jenem jahr im kunstleben unserer stadt geschah – und ein wenig die „stimmungen“ einzufangen, die damals durch die stadt schwangen, zogen, waberten. unser bestreben ist dabei, den rückblick gleichermaßen unterhaltsam und hoffentlich mit vergnügen lesbar wie wissenschaftlich zutreffend und verwertbar zu gestalten. vorwort unser ziel ist erreicht, wenn sie – wie es auch uns geschehen ist – sich erinnern: „was? so lange ist das her? war das wirklich schon im märz 1990? da fällt mir doch noch ein …“ unser ziel ist erreicht, wenn ein leser etwas über die vielfalt und vitalität, aber auch die schwierigkeiten der kunst in dresden erfährt und auf diesem wege daran teilnimmt. wir sind dankbar, dass die kunsthistorikerin dr. sara tröster klemm diese aufgabe angenommen hat – als eine chronistin wie literatin, die die kunst in dresden vor einem vierteljahrhundert, gleichsam an der grenze zur kunstgeschichte, zu betrachten hat. die darstellung muss notwendig subjektiv sein; der verein und die autorin übernehmen die haftung für ihre auswahl. anders als früher muss ein buch heute nicht mehr statisch sein. wir haben uns entschlossen, den text auch über unsere website zugänglich zu machen. wenn das buch ihre erinnerungen an 1990 weckt, sind sie herzlich eingeladen, uns diese mitzuteilen, gern auch mittels der technischen möglichkeiten unserer website.
6 es versteht sich von selbst, dass ein solches werk nicht ohne unterstützung von freunden und sponsoren möglich ist und auch immer auf eine solche unterstützung angewiesen sein wird. wir möchten allen ganz herzlich danken, die den mut hatten, unsere idee finanziell und durch aktive mitarbeit zu unterstützen. ad continuandum, si placet! freundeskreis der städtischen galerie dresden – atelierbegegnung e. v. dr. christoph möllers vorsitzender
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9 betty schöner fotografiert. in der neustadt gibt es bier für 40 pfennig. putin trinkt westsekt, andrea türke zeichnet die brühlsche terrasse und claus weidens- dorfer stellt in leipzig aus. der 1. januar 1990. nils burwitz steht an seiner staffelei in valdemossa/mallorca und malt ein bild. dieses bild wird am 9. november in der dresdner galerie süd gezeigt werden. sein titel heißt „es ge- schehen noch zeichen und wunder“. zum einen drückt es die überwältigenden gefühle zum mau- erfall aus, zum anderen ist es ein kommentar zum phänomen der „blitzpolitik“, die kurz darauf folgt. alles geht atemberaubend schnell in diesem jahr, das gerade beginnt. betty schöner watet durch den geschwärzten schneematsch. mit sich trägt sie eine selbstgebaute fotokamera, schwer, groß, und nur mit stativ zu nutzen. jahre zuvor war sie ein „gemäßigter punk“, wie sie selbst sagt, mit raspelkurzem haar, und dieses jahr kann nichts und niemand sie aufhalten oder ihr etwas vorschreiben. sie fotografiert was das zeug hält. ihre künstlerfreunde. gebrüder lehmanns küchentisch. fast jede kunstausstellung in dresden. ein abzug kostet „so um die 3,50 m“. dafür kann man seine freunde schon einmal „gepflegt“ zum essen in „das goldene hufeisen“ in der alaunstraße/ecke sebnitzer straße einladen. eine total heruntergekommene kneipe mit ganz üblem publikum. betty schöner und ihre freunde zieht es hin und wieder in den ranzigen laden: eine warme mahlzeit wird für überschaubare 1,25 m zackig und ohne großes gewese auf den plastik- bespannten tisch geknallt. freundlichkeit braucht man natürlich nicht zu erwarten, klar. naja, und die sauberkeit. das besteck kann schon mal etwas kle- brig sein und auch der teller. mit dem messer kann man auch gut die luft schneiden. sie ist unfass- bar dick, immer wird gequarzt, geschlotet, ge- schmaucht und geraucht. bald wird der laden von der hygiene mir nichts, dir nichts geschlossen. auch „hebeda’s familieneinkehr“ und die „konzertklause“, wo ein bier 40 pfennig kostet, sind beliebte anlaufstellen in der neustadt für rentner, künstler und erschöpfte familienväter, die mal eben „zigaretten holen“, um sich bei „bier undspgahetti“eineauszeitvonblubberndenstoff- windeln auf dem herd und schreienden sonnen- scheinen verschaffen wollen. auch weil es dort immer warm ist, wenn der ein oder andere schon wieder keine neue kohle geliefert bekommen hat, januar
10 und in einem dresdner plattenbau, zwei agenten des kgb, ein mitarbeiter des k1, der politischen polizei der ddr, und ein auslandsaufklärer der stasi. die vier männer versuchen zu retten, was zu retten ist. aber für sie ist nichts zu retten, so der cicero-redakteur christoph seils. 25 jahre später. was ist aus ihnen geworden? vom ersten fehlt jede spur. der zweite schlägt sich mehr schlecht als recht durch und ist auf sozialhilfe angewiesen. der dritte hat in der gastronomie fuß gefasst und macht als caterer wenigstens etwas sinnvolles. der vierte hat eine ganz beachtliche karriere hingelegt: er heißt wladimir putin. an die- sem tag führt er als oberstleutnant das gespräch. es ist windstill. die isolierschicht am himmel hat sich ein wenig aufgeklart. dick eingemummelt in einen warmen mantel, die ruhigen hände fest um einen zeichenstift gelegt, hat es sich eine junge frau an der elbe einigermaßen gemütlich gemacht. sie ist auf der suche nach dem besten motiv. andrea türke nutzt die gelegenheit und fängt an einem trocken-eisigen wintertag die brühlsche terrasse in einer zeichnung ein. keine gewöhnliche zeichnung allerdings, sondern eine algrafie auf um den heimischen ofen zu heizen. „bier und spgahetti“: der buchstabendreher in der handge- schriebenen speisekarte der konzertklause bringt anton launer zum schmunzeln. auch betty schöner huscht ein breites lä- cheln über das gesicht, wenn sie an die komplett verrückte zeit zurückdenkt: „wenn jemand besoffen auto fährt und in eine polizeikontrolle gerät, ist das nicht weiter tragisch. er sagt guten abend und fährt weiter. oder hallo, du pantoffel. ich wollte kein polizist sein in dieser zeit. das ist gnadenlos. sie haben auf einmal einfach nichts mehr zu sagen, das wissen sie. und getrauen sich nichts mehr.“ es ist der 16. januar, als gleich vier solche ober- pantoffel an einem tisch „gute zusammenarbeit“ geloben und auf eine „demokratisch-sozialistische ddr“ anstoßen. eine flasche sekt steht vor ihnen. westsekt.dabeigibtesfürsienunwirklichnichtszu feiern: die ddr ist am ende. ohne die „sozialistische bruderhilfe“ gibt es keine abhörsicheren leitungen mehr, keine operativen maßnahmen und auch keine gefälschten pässe. für diese vier männer ist die friedliche revolution ein desaster. und nun sitzen sie in einer einigermaßen konspirativen runde
11 weißem karton. es ist ein unspektakulärer blick, die bäume kahl, unbewegt und leer, die sitzbänke verlassen. der boden weiß. ein kleiner schwarzer vogel ganz rechts im bild bringt eine ahnung von bewegung hinein. trotz aller zurückgenommenheit geht aus der unscheinbaren arbeit die barocke großartigkeit dresdens hervor, die in den kom- menden jahren wieder auf hochglanz poliert werden sollte. damals aber sieht es noch verdammt düster aus. türkes bilder zeigen uns „eine welt zwischen versinken und auferstehen“, schreibt heinz weißflog später. die künstlerin kennt den namen wladimir putin zu diesem zeitpunkt noch nicht. so wie ihn keiner in der damaligen ddr kennt. spione sind nun mal per definitionem keine figuren des öffent- lichen lebens. in der stammkneipe der russischen soldaten am „goldenen tor“ ist er ein unauffälli- ger gast mit ausgesprochen guten manieren. claus weidensdorfer hat gut zu tun. der dresdner künstler muss dafür sorgen, dass seine grafik-aus- stellung im museum der bildenden künste in leipzig ein erfolg wird. dass jedes bild an seinem richtigen platz hängt, nicht zu hoch, nicht zu tief, nicht zu nah am nächsten bild, aber auch nicht zu weit entfernt. und dass die klebeschilder mit den bild- erklärungen alle an ihrem platz sind. es ist wie immer eine tortur, bis die sektgläser endlich aneinander klirren und die ausstellung als eröffnet gilt. im laufe des jahres malt weidensdorfer das kleine aquarell hochhinaus. elf jahre später geht das blatt in tusche und feder und dem format von 37,5 x 26,5 cm bei der kunstauktion des ver- eins atelier-begegnung an einen stolzen käufer. glücklich darf der sich schätzen! 1989 freut wei- densdorfer sich über den käthe-kollwitz-preis und auch in den kommenden jahren geht es mit zahlreichen preisen und auszeichnungen kontinuierlich nach oben: kunstpreis der großen kreisstadtradebeul(2002),kunstpreisderlandes- hauptstadt dresden (2005) und hans-theo- richter-preis der sächsischen akademie der künste (2014). 1992 wird er an der hfbk zu ei- nem professor für malerei und grafik sowie zum dekan des fachbereiches malerei, grafik und bildhauerei berufen. eine position, die er bis zu seiner emeritierung im jahr 1997 inne hat. da- nach bezieht er in radebeul ein neues atelier – und kümmert sich fortan uneingeschränkt um seine eigene kunst.
12 weniger glatt läuft es für eine mutige und eigen- willige junge frau. ihr name ist angela hampel, ihre haarpracht wild und frei, in ihrer kunst und beim bergsteigen ist sie das erst recht. ihre ge- sichtszüge sind zart, herb und stolz. „ein regel- rechtes duell mit sich selbst führt angela hampel. ihre gehetzten, geschlagenen, stürzenden oder ängstlich zusammengekauerten gestalten sind nicht nur ausdruck eines zielbewussten stilwillens, sondern auch anzeichen seelischen notstands. der druck ihrer privaten situation als frau hat die- se aufsässigen bilder hervorgepresst. selten habe ich jemanden so angespannt malen sehen.“ bereits am anfang ihrer künstlerischen entwicklung schreibt dies christoph tannert, der berliner kunstkritiker und geschäftsführer des künstlerhauses betha- nien 1984 in einem faltblatt der dresdner galerie west. hampel ist in der zwischenzeit zu einer wichtigen figur der dresdner kunstszene aufge- stiegen. in diesem jahr wird ihr der marianne- werefkin-preis verliehen. tannert wiederum wird ständig für eröffnungsreden und texte zu künstlern gebucht, er kuratiert ausstellungen und ist extrem gefragt. „er ist 1990 der ,hero‘ in sachen reden, text und kuration“, so betty schöner. auch bei eröffnungen der lehmänner hat er öfters zu spre- chen. die gründung des künstlerinnenbundes dresdner sezession 89 einen monat früher in der galerie mitte bekommt er hautnah mit. mit der vereinsnummer 22 gehört der bund mit seinen 23 mitgliedern zu den ersten eingetra- genen vereinen der stadt nach dem mauerfall. durch den namen beruft er sich ausdrücklich auf die vorgänger-sezessionen der dresdner kunst- geschichte. es ist eine aufregende, eine mutige geschichte. als mitglieder sind ausschließlich frauen zugelassen, künstlerinnen und kunstwissen- schaftlerinnen. und sie haben ein feministisches credo aufgestellt: „1. wir besinnen uns auf unsere existenz als künstlerisch tätige frauen in einer domi- nant patriarchalischen gesellschaft. 2. wir wollen unserem schöpferischen potential ausdruck geben, denn die heutige welt braucht weibliche wahrneh- mungsweisen aus weiblichem identitätsgefühl heraus. 3. als geistiger ansatz verbindet uns die these von der inneren notwendigkeit als grund- lage künstlerischer äußerung.“ die gemeinnützigkeit der künstlerinnen- gruppe wird rasch anerkannt. während es in der geschichte ganz selbstverständlich schon unzählige rein männliche künstlerische verbände gegeben hat, und diese zusammensetzung in den seltensten
13 fällen für aufruhr gesorgt hat, so ist dies nun die erste reine künstlerinnenvereinigung in der säch- sischen kunstgeschichte, so sigrun hellmich im katalog zur gründungsausstellung. die leipziger autorin und kunstwissenschaftlerin notiert, dass das wirken von künstlerinnen in dieser region generell und „bis auf wenige ausnahmen kaum kunstwissenschaftlich gewertet worden“ sei. die künstlerinnen nehmen sich angela hampel, die ebenfalls mitglied der gruppierung ist, im wei- testen sinne zum vorbild. hampel gehört bereits seit mitte der 1980er jahre „zu den unruhe stiftenden wegbereitern einer expressiv-ekstatischen bild- sprache“, wie in der chronik zum 20. jubiläum der dresdnersezession’89nachzulesenist.eine,diedie ungleichen „machtverhältnisse und -strukturen, rollenspiele und -zuweisungen“ schon lange sehr kritisch hinterfragt. ausstellungen, aktionen und publikationen reihen sich in ihrer laufbahn anei- nander. dennoch haben frauen noch lange nicht die gleichen chancen im kunstbetrieb wie männer. mit einer künstlerinnenbewegung wollen die mit- glieder der dresdner sezession 89 dem etwas ent- gegensetzen. dresden ist wie die ganze ddr gleichzeitig gelähmt und auf der überholspur. handbremse angezogen und fuß voll auf dem gaspedal. die währung ist zwar noch die gleiche wie in den vierzig jahren da- vor, jedoch ist ihr baldiges ende nur eine frage von monaten. ein neues politisches system ist auf den weg gebracht. und auch sichtlich im physischen zusammenbruch, etwa die gründerzeithäuser nicht nur der neustadt, auch die villen in blasewitz, striesen und auf dem weißen hirsch. aus ihren dachrinnen wachsen birken. eingeschlagene und zugemauerte fenster gehören zum gewöhnlichen stadtbild. aber es herrscht eine aufgeregte stim- mung. die meisten geschäfte haben ihr angebot überraschend schnell voll auf westprodukte um- gestellt. der stadtrat beschließt die umbenennung des pio- nierpalastes in „freizeitpalast der schüler“. später heißt er dann einfach wieder schloß albrechtsberg. der kulturwissenschaftler klaus nicolai bringt den dramatischen status quo in dresden 1990 auf den punkt: „in anbetracht der kulturellen verödung der
14 stadtteile, der unterentwickelten und zerfallenen kulturellen infrastruktur sowie der weitgehenden degeneration historischer bausubstanz herrscht in der ,kultur- und kunststadt dresden‘ ein akuter kultureller notstand.“ dieser notstand aber – ge- paart mit der in dresden real existierenden krea- tivität – führt auf künstlerischem und kulturellem gebiet zu vielen initiativen und neuen ideen. über- all sprießen neue magazine, szenekneipen, galerien und künstlergruppen wie die dresdner sezession 89 aus dem boden. viel von dem, was heute typisch für die dresdner soziokultur ist, gründet auf dieser aufgeregten zeit. jetzt am ganz großen rad drehen zu wollen, entpuppt sich aber leider bald als „hybris“ und vieles kann sich nicht auf dauer halten. das ganze jahr 1990 ist ein historisches, ein anarchistisches, wildes jahr, von brüchen durch- zogen, oder anders: bruch und einheit gehen hand in hand. die veränderungen ziehen sich noch über jahre hin und wachsen erst nach und nach wieder zu einem homogenen gesamtbild zusammen. chaotisch geht es auch in der politik zu. hans modrow, der neu gewählte ministerpräsident der ddr, und die vertreter des runden tisches ziehen ende januar die volkskammerwahlen kurzent- schlossen vom 6. mai auf den 18. märz vor. noch im november ’89 wollte modrow die wiederverei- nigung am liebsten verhindern und wehrte sich mit händen und füßen dagegen. aber der geschicht- liche wind bläst in die gegenrichtung. inzwischen schwächelt die ddr immer mehr. es ist kaum noch möglich, die wirtschaftliche und politische stabi- lität des landes aufrechtzuerhalten. zwar sind auch die westmächte über helmut kohls allein- gang verärgert, aber weil er soviel bestätigung von anderer seite bekommt, insbesondere direkt von vielen ddr-bürgern, setzt er seinen kurs un- beirrt fort. vielen kann es nicht schnell genug gehen. am 29. januar gehen in dresden 100.000 menschen zu den montagsdemonstrationen auf die straße. sie fordern eine schnelle wiedervereinigung. am selben tag wird erich honecker noch im krankenbett von der polizei festgenommen. am 31. januar kommt die erste lufthansa-maschi- ne im direktflug aus der bundesrepublik nach dresden. ein passagier ist max streibl, der dama- lige bayerische ministerpräsident, der gespräche
15 über die wirtschaftliche zusammenarbeit zwi- schen bayern und dem zukünftigen land sachsen führt. helge leiberg malt einen schwarzen geier, links auf blauem, rechts auf leuchtend gelbem grund. seine krallen streckt er aus, als würde er scharf abbremsen. mit dem körper steht er senkrecht in der luft. so fliegt kein vogel. am linken unte- ren und rechten oberen rand erscheint jeweils die farbe rot, sodass in diesem bild primärfarben dominieren. wie eine schlange windet sich ein roter strang zum ausgebreiteten linken flügel hinauf und scheint ihn zu schnappen. ein fies grinsendes gesicht daneben ist zu erkennen. ist es ein bild der wende? – alles wird auf null gestellt, neu gemischt und verhandelt, machtverhältnisse aus- tariert. pleitegeier oder bundesadler. leiberg wird in den folgenden jahren noch viele adler malen, steinadler, adler mit schlange, prometheus.
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17 nelson mandela wird aus der haft entlassen. joseph beuysʼ omnibus für direkte demokratie ruckelt durch die ddr. hochschulpolitik und psychosozialer wan- del. wanda, die villa marie und geeiste wasserrohre. die fluglinie zwischen köln und dresden wird erstmals seit 1939 wieder bedient. hamburg unterstützt dresden auf vielfältige weise, auch durch dringend nötige finanzielle zuschüsse an dresdner kinderheime und spielzeug. weiterhin bildet sich die initiative für den wiederaufbau der frauenkirche, die mit ihrem „ruf aus dresden“ weltweit einmalig erfolgreiche und andauernde unterstützung für dieses bauwerk begründet. gesellschaftspolitisch geht es nach dem mauer- fall um viel. irgendwie geht es sogar um alles. es gibt so viele euphorisierende entwicklungen. die friedliche revolution – ein in der menschheits- geschichte einzigartiges ereignis. am 11. februar wird nelson mandela, südafrikas berühmtester freiheitskämpfer – nach 27 jahren haft als poli- tischer gefangener freigelassen. es sieht danach aus, als würde sich die weltgeschichte radikal zum guten wenden. als könne sich soviel nun verändern. und keinesfalls soll die ddr von der bundesrepublik „geschluckt“ werden! damit be- kommen auch basisdemokratische bewegungen noch einmal kräftig schub, als alternative zum bis- herigen system. oder soll dasjenige der brd nun der ehemaligen ddr einfach übergestülpt werden? das klingt nach keiner guten idee. vor diesem hintergrund, mandela außen vor, unterhalten sich der künstler und autor johannes stüttgen und die journalistinnen ute billig und sylvia dischereit in düsseldorf darüber, dass die deutsche einheit von den eigentlichen aufgaben ablenken würde. diese aber seien groß, denn es gehe um die neugestaltung und neuerfindung der gesellschaft, auch des politischen zusammen- lebens bzw. um die „gestaltung der sozialen skulp- tur“. über stüttgen muss man wissen, dass er von 1966 bis 1971 an der düsseldorfer kunstakademie student und späterer meisterschüler von joseph beuys war. bereits 1971 hatten beuys und stüttgen die „organisation für direkte demokratie durch volksabstimmung“ gegründet. es geht vielen leuten 1990 mehr denn je um die frage, in was für einer gesellschaft wir eigentlich leben wollen! was ist wichtig?! das gedankengut von joseph beuys ist hier lebendig und produktiv wie nie. zumindest bei den produzenten des dresdner kulturjournals februar
18 „reiterin“ fällt es auf äußerst fruchtbaren boden. ute billig ist eine der macherinnen des blattes, und das interview mit stüttgen umfasst volle vier seiten im a3-format. am 13. februar, 45 jahre nachdem dresden in schutt und asche gelegt worden war, findet eine große öffentliche gedenkveranstaltung auf dem altmarkt statt. davon unabhängig hält der holocaustleugner david irving im kulturpalast vor rund 500 zuhörern eine rede über die luftangriffe auf dresden 1945. wenige tage darauf, am 16. februar, besetzen die macher des „projekttheaters dresden“ unter dem motto „ein theater besetzt sein haus“ die leer- stehende werkhalle des ehemaligen veb metall- waren auf der louisenstraße 47. der stadtrat hat zuvor eine „gewerberaumzuweisung“ in die zum abriss freigegebenen räume abgelehnt. zwei tage später feiert das projekttheater die eröffnung und floriert bis heute. aus der in kellern und wohnungen probenden „theaterbrigade“ wird ein professionelles ensemble. claudia reichardt alias wanda kämpft zu diesem zeitpunkt mit existenziellen herausforderungen: mit dem für altbauwohnungen üblichen kohleofen, eiskalter außentoilette. selbst abgedrehte oder ein- gefrorene wasserleitungen und abgestellten strom mitten im winter kennt sie – aber nein! da geht noch mehr. das geht noch einen zacken schärfer. erstaun- lich, was sich die holzköpfe alles einfallen lassen, um eine der unerschrockensten kreativen der stadt aus dem haus zu ekeln. aber warum greift man zu solch drastischen mitteln und worum geht es überhaupt? die villa marie kennen wir heute als sauber ge- führtes, wunderbar am blauen wunder gelegenes restaurant. anfang des jahres 1990 ist es eine schwer mitgenommene villa kurz vor dem endgül- tigen kollaps – ihre bewohner jedoch, allen voran wanda, haben sie über viele jahre zu einem dreh- und angelpunkt der kunstszene gemacht. seit 1982 wohnt wanda hier und gründet 1986 ihre galerie fotogen. bereits 1987 wird diese verboten, aber dennoch weitergeführt. nun aber muss es „in den turbulenzen des rasanten gesellschaftli- chen wandels (…) auch eine persönliche klärung geben“, wie sie notiert. die frage nach der villa marie und wie es mit ihr weitergehen soll, treibt viele kulturschaffende
19 in dresden um, am meisten natürlich wanda selbst. ihren emotionalen zustand im wendewinter beschreibt sie als „in höchstem maße engagiert und voller energie. ich stand einer riesigen menge neuer möglichkeiten gegenüber, aber das volk forderte zugleich vehement ,keine experimente‘!“ nun auf einmal aber spürt sie einen inneren wandel und sieht die alte villa mit anderen augen. ver- blüffend ist für sie die geschwindigkeit, mit der sie ihre lange zeit „geschätzte und geliebte heim- statt (…) nun als trostlose, verfallene ruine“ wahr- nimmt. ihr ist klar, dass für sie eine „persönliche ära“ enden muss. wanda: „ich wusste wohl, dass der spezielle luxus am elbufer nicht wiederkehren würde und dass mich die villa für ein gutes stück meines lebens geprägt hatte. und die verheißungen der neuen gesellschaft zogen mich ebenso magisch an wie die villa acht jahre zuvor.“ der in riesa geborene grafiker und maler horst naumann verstirbt im alter von 82 jahren. be- sonders bekannt ist er für seine vielfach ausge- zeichneten briefmarkenserien. er gestaltete aber auch plakate, wandmalereien und postkarten. ein letzter gang über den grauen und schneemat- schigen theaterplatz, vorbei an den kahlen bäu- men auf der brühlschen terrasse. auch für putin ist spätestens jetzt die zeit des abschieds von dresden gekommen. seit august 1985 hat er hier gelebt. hier und nicht in moskau oder leningrad hat er seine karriere begonnen. hier kommt 1986 seine zweite tochter zur welt. privat ist es eine glückliche zeit. das ehepaar putin soll hell begeistert gewesen sein, die „graue ddr-provinz“ war für sie ein „realsozialistisches paradies“, so der cicero-redakteur christoph seils. und gegenüber den leningrader verhältnissen, wo sie beengt in der wohnung der eltern lebten, erscheint die drei- raumwohnung im plattenbau extrem komfortabel und geräumig. auch das angebot in den geschäften war „üppiger“, so erinnert sich die damalige ehe- frau ljudmila. was putin in dresden aber genau gemacht hat, ist nicht ganz klar, so dass sich darum wilde spekulationen ranken. belege gibt es nicht, da die meisten kgb-akten vorsorglich bereits im dezember 1989 verbrannt wurden. etwas zu spät kommt demnach der beschluss im vormonat, das archiv der sed-bezirksleitung zu versiegeln. zu- mindest können so keine weiteren akten mehr ver- nichtet werden. so ist das: brenzlige dokumente
20 fackeln ab, anderswo dagegen werden wasser- versorgung zerstört und stromleitungen gekappt. hauptsache, das ziel wird erreicht: jemand, wanda, soll „freiwillig“ ausziehen. weiß der geier warum, aber so ist es. das kombi- nat ogs für obst, gemüse und speisekartoffeln jedenfalls spricht sich genau dafür aus, die was- serrohre im keller der villa marie zu entfernen und den stromfluss zu unterbinden, und setzt es auch prompt in die tat um. damit sollen die aktuellen be- wohner davon überzeugt werden, sich doch freund- licherweise eine neue bleibe zu suchen. wie wäre es mit einer komfortablen dreiraumwohnung in prohlis mit stuckfreier deckenhöhe von 2 metern? der grund? ganz einfach: der betrieb (oder einer seiner funktionäre) wollen das anwesen erwerben. die letzten beiden bewohner, wanda und der im erdgeschoß wohnende hans-heiner buhr (früher waren es zeitweise deutlich mehr künstler), standen diesem vorhaben im weg. ein trabi mit anhänger wird beim abtransport der rohre gesehen und das kennzeichen notiert. wanda wehrt sich und erreicht durch eine ge- richtlicheverfügung,dasswenigstensdiestrom-und wasserversorgung wieder gewährleistet werden müssen. jedoch: es geschieht einfach nichts! für wanda wird der zustand existenziell und unhalt- bar. die künstlerin betty schöner erinnert sich mit einigem grauen an das abrisshaus: „wenn dir bei jedem regen die hütte nass wird und du dir im win- ter den arsch abfrierst, und nur mit zugehaltener nase aufs klo gehen kannst, dann ist irgendwann einmal eine grenze erreicht.“ dann wärmt die intel- lektuelle, kunstwissenschaftliche steppdecke auch nicht mehr. schlussendlich nimmt wanda es prag- matisch als zeichen, dass nun „der anlass und die zeit zum abschiednehmen gekommen“ sind. „der zwang schmerzt nicht. die wochen ohne strom und wasser, eimerweise von den nachbarn geholt, stellten uns auf eine harte probe. aber wir waren in der improvisation geübt und hatten selbst in dieser misslichen situation viel spaß.“ das alles hält claudia reichardt in ihrem kleinen buch „die galerie bleibt während der öffnungszeit geschlossen. wanda und die villa marie | 1982–1990“ über ihre zeit in der villa marie fest. das buch erscheint 2010 in berlin. ab dem 9. februar präsentieren sich in der galerie kunst der zeit die künstler manfred schubert
21 mit malerei und grafik und vinzenz wanitschke mit plastiken. die galerie kunst der zeit fungiert unter dem vom ddr-duktus diktierten namen „verkaufsgenossenschaft bildender künstler“ in dresden, ein anti-klangvolles konglomerat von worten, wie es nur die ddr hervorbringt. in den beiden begleittexten von rolf segor schwingt die ddr-diktion noch kräftig und unverkennbar mit. es ist aus heutiger sicht irgendwie witzig. er schreibt, dass die „formvorstellungen“ des italie- ners renato guttuso dem in bautzen geborenen schubert „einen gewissen halt, in einer zeit, wo die qualitätsmaßstäbe aufgeweicht wurden“ gäben. und weiter: „manfred schubert bevorzugt eine art spätimpressionistische malauffassung. seine bilder, pastelle und zeichnungen belegen: der künstler fühlt sich der optisch erfassbaren realität verpflichtet. seine kunst basiert auf dem seher- lebnis. ideenmalerei meidet er. schubert denkt sich die schauplätze des lebens nicht aus.“ klingt beinahe so, als würde phantasie nicht eben hoch geschätzt. über den 1931 in der csr geborenen wanitschke schreibt segor: „er merkt, antihumane kräfte können den weg in die persönliche und gesellschaftliche freiheit gefährden.“ in drei werken habe er die wende vorhergesehen. „bleibt zu ver- merken: wanitschke ist ein bildhauer mit visionärer begabung.“ bleibt zu vermerken: man kann auch trocken bürokratisch, fast stasi-aktenhaft über kunst sprechen. drei tage nach der eröffnung, aber natürlich völlig unabhängig davon, versammeln sich am nach- mittag des 12. februar 1990 etwa 300 menschen aller altersklassen in der neustadt. es sind die aufgebrachten anwohner der äußeren neustadt, vor allem der alaun- und katharinenstraße. sie demonstrieren vor der baustelle eines neuen pro- duktionsgebäudes des veb „elbe-chemie“. die menschen befürchten, dass ihre baufälligen häu- ser, in denen sie jahrelang unter unzumutbaren bedingungen gelebt hatten, nun nach der wende gewinnträchtig und über ihre köpfe hinweg an westliche investoren verkauft würden. zu dieser vermutung gibt es anlass: das gebäude für die „el- be-chemie“ soll auf einmal um einiges größer, hö- her und breiter werden als ursprünglich geplant. von dieser demo berichtet das neu gegründete kulturjournal reiterin in seiner ersten und kos- tenlosen ausgabe im märz 1990. es nimmt auch die realität außerhalb der kunst und kultur in den
22 blick und geht auf die sorgen und befürchtungen für die neustadt ein. die menschen haben große angst davor, dass einmal mehr über ihre köpfe hinweg entschieden wird. das kennen sie nun schon zur genüge – und nun soll sich doch alles ändern! hohe erwartungen setzen die kreativen in das erste dresdner kulturforum (17./18. februar 1990). diesen termin nehmen alle wahr, die die kulturelle szene von dresden mitgestalten wollen. alle? nein, ein paar sture, biedere köpfe zieren sich, in das „haus der kultur und bildung“ in der materni- straße 17 zu kommen: die zuerst avisierte polit- prominenz von deutsch-deutschen oberbürger- meistern bis zum ddr-kulturminister halten sich für abkömmlich. in sechzig redebeiträgen zeigt sich die ganze „jammernde vielfalt“ der kultur in dresden, so friederike hühnermann in reiterin. das fängt bei der misere der museen, galerien, bibliotheken, spielstätten und schulen an und hört bei kursierenden gerüchten von einem be- vorstehenden ausverkauf dresdner architektur bis zum existenzkampf des zentralen klubs der deutschen post noch lange nicht auf. und sollte es nicht ein kulturparlament geben?! joachim sacher ist der stadtrat für kultur. am zweiten beratungstag sieht er sich vor der kniffligen aufgabe, die von den „bittstellern“ vorgetragenen wünsche und probleme in einer einstündigen rede zu lösen. das kann nur schief gehen. prof. johannes heisig schlägt in seiner rede eine hoch- schulreform vor, die ihren blick auf die autonomie der dresdner kunsthochschule richtet. er wünscht sich die besinnung auf das „humanum“. kultur und „soziale problematik“ kommen seiner ansicht nach nicht ohne einander aus, sondern bedingen sich. während das kulturforum die großen kulturellen fragen behandelt, sitzen drei künstler zusammen in einem halb verfallenen gebäude in der böhmi- schen straße. der einstmals malerische hof ist voller schutt und müll. dennoch ist den dreien klar, dass sie an einem magischen ort, in einem zauberhaften bauensemble wohnen, und dass sie dieses vor fremdem zugriff schützen müssen – soll es so erhalten bleiben. sie haben eine idee: sie wollen ein kunstcafé gründen! nicht allen gelingt es, aber hier fällt der startschuss für eine echte erfolgsgeschichte. die drei sind nicht die einzigen mit solchen plänen, ganz im gegenteil: „so dachten
23 damals viele. wir waren nur im vorteil, weil wir seit 3 jahren hier wohnen und keine räume zu suchen brauchten. (…) früher war es hier leichter, sein wohnungsproblem zu lösen.“ mit dem café wollen sie zum einen gewinne erwirtschaften, um ihre kunst und ausstellungen zu finanzieren, und zum anderen wollen sie damit den hinterhof erhal- ten. vor der eröffnung des raskolnikoff schaffen sie dreizehn container mit schutt und müll aus dem hinterhof hinaus und reißen das alte wasch- haus ab. an dessen stelle befindet sich nun eine terrasse, auf der die besucher in der abendsonne klassiker wie den dampfenden borschtsch mit viel wurzelgemüse und schmand, pelmeni oder rahmkuchen genießen können.
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25 von der auferstehung des schrottes. richard mans- feld als bettler vor dem dresdner hof, und die frage, was besser ist: galerie oder aldi? in dem ganzen tobenden chaos dieses jahres, in einer zeit, in der das wort „wandel“ immer und überall hervortaucht, ist die obergrabenpresse ein beispiel für kontinuität. henrik busch berichtet: „die obergrabenpresse als institutionelles modell erwies sich angesichts der tiefgreifenden gesell- schaftszäsur in den jahren 1989 und 1990 als re- sistent.“ im frühjahr gelingt ihnen ein echter coup und sie können eine riesige kupferdruckpresse erstehen. diese kupferdruckpresse wird aber nicht einfach nur irgendwie erworben, sondern durch mehrere zufälle im frühjahr 1990 regelrecht ge- funden. gründlich entstaubt, findet sie sogleich in reiterin beachtung: „ich lobe den schützenden staub! ich lobe die auferstehung des schrottes! ich versöhn mich mit ulbricht und seinem palaver zu mundart und ausmalbildchen! als im kulturhaus zu bitterfeld seine apostel dem volk kunsthonig als grundnahrungsmittel eingeredet hatten, ließ er rührgeräte aufstellen. auch eine kupferdruck- presse, in die dunkelste ecke des kellers. dabei verbogen sich die spindeln, und der drucker wäre vor notwendiger abmagerung gestorben, so eng märz standen die wände. darum rührte außer dem staub niemand die maschine an.“ die druckpresse wird während einer großinventur in einem be- trieb wiederentdeckt. die ehemaligen besitzer, die nichts damit anfangen können, sind froh, dass sie abgeholt und nach dresden verfrachtet wird. aber es mangelt an allem, auch an ausstel- lungsräumen. wie eine offenbarung erscheint es daher, dass in der neustadt vor kurzem eine underground-kulturkneipe eröffnet hat, die kunstausstellungen zeigt, in der lesungen und konzerte stattfinden: der coffeeshop bronxx. was drei monate zuvor geschieht: am 15. dezember 1989 setzt sören naumann, genannt „egon“, mit der eröffnung der bronxx einen ganz anderen anfang als das kunsthaus raskolnikow einige monate später. bronx nennen die neustädter ihr quartier zu ddr-zeiten; viele sind schon geflohen aus den baufälligen und feuchten häusern, hinein in die plattenbauten nach prohlis und gorbitz, wie auch marianne wellershoff und johann grolle in die zeit berichten. naumann hat schon zuvor in seiner wohnung auf der förstereistraße 2 seit 1982 eine galerie geführt und ist zudem neben
26 zahlreichen anderen tätigkeiten als chauffeur und manager der „dresdner musikbrigade“ aktiv. in der großzügigen 4-raum-erdgeschosswohnung von naumann wird geprobt und jetzt auch für die öffentlichkeit. in der bronxx gibt es fortan aus- stellungen, performances, aktionen und konzerte. schon früher ist bei egon alles ganz inoffiziell, aber trotzdem erstaunlich gut funktionierend. die bronxx ist jetzt eine der allerersten kneipen die- sen neuen typs, für den die neustadt bis heute bekannt ist. sie steht aber auch als mythos bis heute für die aufbruchssituation der damaligen zeit, für die vermischung von kunst und begin- nendem kommerz. rückblickend beschreibt es frank eckhardt 2010 im ausstellungskatalog „ohne uns!, kunst & alternative kultur vor und nach ’89“, sei „weder eine gemeinnützige idee noch ein besonderes profitstreben zu erkennen, eher wohl die suche nach einem kommunikativen raum, nach einem ort für die weitere sicherung der finanziellen wie auch gesellschaftlichen existenz des gründers“. heute ist die bronxx aus der neu- städter flora und fauna verschwunden. mindestens eine wesentliche idee erblickt dort aber im früh- jahr 1990 das licht der welt und erfreut sich bis heute wachsender beliebtheit: bei einem „langen nachmittagsplausch“ blitzt die bunte republik neustadt (brn) als gedanke durch den raum, gregor kunz wird ihr erster könig. offiziell und weniger schillernd formiert sich zeit- gleich der künstlerbund dresden, zunächst als sächsischer künstlerbund. am 9. april 1990 wird der verein unter der nummer 44 eingetragen. da- mit gehört auch er zu den ersten vereinen nach der wende. der sachsenspiegel, eine aus der bürger- rechtbewegung entstandene wochenzeitung, er- scheint im märz 1990 zum ersten mal. ebenfalls zum ersten mal erscheint am 26. märz der wochen- kurier, der später eine anzeigenzeitung wird. der mittlerweile hochangesehene exildresdner a. r. penck unterhält sich mit martin rögener in der galerie m. werner in köln. abgedruckt wird das verblüffend banale interview scheinbar ungekürzt im kulturjournal reiterin. vor allem pencks fazit hinterlässt offene fragen: „wenn ich nicht wär, wär die ddr längst leer.“ in den 50er jahren nahm a. r. penck an der volkshochschule in dresden
27 zeichenunterricht bei jürgen böttcher (strawalde) und wird mitglied der im wintersemester 1953/54 gegründeten dresdner künstlergruppe erste phalanx nedserd, der auch peter makolies, peter herr- mann, peter graf und winfried dierske angehören. später dehnt er seine künstlerischen materialien stark aus. so verwendet er seit den 70er jahren auch filz als material für skulpturen. 1990 schafft er eine buntvergnügte filzskulptur mit dem be- rückenden titel reaktor (1990) – tschernobyl liegt erst wenige jahre zurück. das tempo, mit dem die deutsche wiedervereini- gung voranschreitet und -stürmt, ist einigen zu hoch. nils burwitz spricht von „blitzpolitik“. rund um die tage der volkskammerwahl am 18. märz 1990 ver- leihen dresdner künstler dieser aufkommenden kritischen distanz gegenüber der neuen deutschen euphorie mit verschiedenen aktionen öffentlich aus- druck. eine dieser aktionen: als bettler verkleidet setzt richard mansfeld sich vor das heutige hotel hilton mit blick auf die ruine der frauenkirche. seinen in einzelne seiten zerfetzten reisepass legt richard mansfeld vor sich hin. der künstler in sei- nen eigenen worten: „um die aufregung perfekt zu machen, lädt die privatgalerie ,gebrüder lehmann‘ zu aktionskunst auf öffentlichen straßen ein. vor der wende wäre das strafbar gewesen: am 13. märz, 15 uhr, vorm ,dresdner hof – ,bitte gewöhnen sie sich an diesen anblick‘ ,mal sehn, wie demo- kratsch de demograzie is’, denke ich mir, verkleide mich als arbeits- und obdachloses individuum, setze mich als friedlicher bettler vors fünf-sterne-hotel, bekomme kleingeld, einen personalausweis der ddr und ein verfrühtes osterei geschenkt. dann sagt ein portier: ,junger mann, wollen sie hier ’ne show abziehn‘. (…). dann kommen zwei onkels von der volkspolizei und nehmen den bösen jungen vor- läufig fest. ,der ist von der pds bezahlt, sagt jemand. und viele nickten‘ – schreibt stefan kelch tags darauf in der ,sächsischen zeitung‘. natürlich von der pds! und vom jüdischen verein moslemischer christen.“ was wie eine unterhaltsame anekdote klingt, ist in wahrheit eine ziemlich gewagte aktion. betty schöner ist die ganze zeit über dabei und doku- mentiert minutiös mit ihrer kamera die szene bis zur polizeilichen abführung von mansfeld. aber die aktion vor dem „dresdner hof“ ist noch lange nicht das ende vom lied. am wahlsonntag geht es mit der politischen aktion ikarus 90 weiter: die künstler volker lenkeit,
28 peter bauer und richard mansfeld werfen kleine menschenfiguren von lenkeits balkon auf den kör- nerplatz, um sie von dort dann wieder zusammen- zukehren. das schauspiel ereignet sich am 14. märz. die püppchen erinnern in ihrer gestaltung an den traditionellen dresdner pflaumentoffel. „hilfe, un- sere großdeutschen straßen sind schmutzig! auf dem ,platz der freude‘ liegen leichen, die müssen weg. die erschrockenen puppenwerfer scheuern den körnerplatz.“ für diesen ort entscheiden sich die künstler, weil er mit den zwei bushaltestellen zuverlässig nachschub an frischem publikum liefert – und weil er ihnen als atelier ja ohnehin schon zur verfügung steht und somit keinen großen aufwand bedeutet. kritisch äußern sie mit dieser aktion die frage, was das volk eigentlich will: „wohlstand, reisen, hartes geld für gute arbeit. was interessiert die leute noch?“ noch einmal schlafen, und es ist der 15. märz. ein unbedeutendes datum für die menschheit, ein meilenstein für die anwohner der äußeren neu- stadt: die stadtverordnetenversammlung nimmt eine beschlussvorlage an. hurra! mehr dazu im monat april. die dresdner künstler gehen an diesem tag auf die straße und demonstrieren gegen die drohende schließung der neuen dresdner galerie und für den erhalt der bedrohten kommunalen galerien. zur demo kommen etwa 80 bis 100 teilnehmer, „eine eher bescheidene zahl in der postdemozeit“. doch der anlass für den protest verweist auf ein problem mit unter umständen weitreichenden folgen. die sax schreibt dazu: „dresden – eine europäische kunstmetropole: auch wenn mancher diesen titel gern am revers tragen würde, ist er momentan noch eine ganze nummer zu groß. da helfen auch sixtina und semperoper wenig. die kulturelle infrastruktur hat teilweise kreisstadtniveau. so stehen den 120 galerien in köln zur zeit 17 in dresden gegenüber.“ das hat sich auch 25 jahre später kaum geändert. dennoch hat dresden auch danach den titel als kunstmetropole verdient, unabhängig von der anzahl an kommerziellen kunstgalerien. die gründung einer galerie sei schon schwer genug, und so stellt der anonyme redakteur in der ersten ausgabe des stadtmagazins fest: „als sich die galerie (…) zum multikulturellen zentrum entwickel- te (konzert, lesung, tanz), war bei der behörde schnell die schmerzgrenze erreicht. ein staatliches baugutachten konnte weder durch ein gegengut-
29 achten noch durch den erlös einer auktion für die sanierung erschüttert werden. der neue leiter der ag, michael freudenberg und seine mitstreiter, mussten trotz allen widerstandes die schließung hinnehmen.“ das große problem: der stadt fehlt an allen ecken und enden das geld, um die gebäude, in denen sich kommunale galerien befinden, zu halten. noch sind die immobilien im eigentum der gebäude- wirtschaft – aber wie lange noch und wie geht es dann weiter? die mieten erscheinen bedrohlich hoch. insbesondere für die neue dresdner galerie wird dies zum dilemma, denn sie befindet sich in bester altstadtlage. die optionen für die immobilie sind für investoren interessant. in einem offenen brief fordert manfred wiemer den rat der stadt deshalb auf: „sagen sie den kunstfreunden, den künstlernunduns[denmitarbeiterndergalerie],ob die neue dresdner galerie in ihren plänen weiter- lebt oder ob sie auf dem papier schon vernichtet ist!“ die ddr – das land der in stein gemeißelten ge- setze und spielregeln. alles verlief in geordneten bahnen, hatte im gleichmaß zu funktionieren. dieses gleichmaß hatte vorzüge, man wusste, woran man war und man konnte sich darauf einrichten. so war auch der kunsthandel staatlich organisiert. das brachte nicht nur für staatskünstler komfort, sondern gab auch den anderen künstlern „leit- planken“, d. h. eine gewisse planungssicherheit. ab 1990 ist dies nun ein für allemal vorbei. die künstler genießen die neue freiheit. gleichzeitig haben sie aber auch angst vor den be- drohlich erscheinenden veränderungen. und es kommt noch mehr dazu, wie in der sax ausführlich berichtet wird: die künstler möchten nun endlich auch in die entscheidungsprozesse miteinbe- zogen, ernst genommen werden und mitreden! nicht, dass schon wieder alles über ihren köpfen ausgehandelt wird. aber ganz genau danach sieht es für die sax aus: „der staat ist raus aus der kunst, endgültig. die gründung der art union gmbh als nachfolgerin des staatlichen kunst- handels war ein notwendiger und erster schritt. manfred wiemer nahm an den verhandlungen in berlin teil, da dürften ihm ja die neuen spielregeln bekannt sein. die privatisierung des kunsthandels, man munkelt von 30 millionen startkapital, stellt die künstler vor vollendete tatsachen. schließlich sind die finanziellen mittel ihrer arbeit zu verdanken, doch jetzt stehen sie wieder draußen vor der tür
30 und wissen nicht, was dahinter gespielt wird.“ und weiter: „hat die art-union ein interesse an den kleinen galerien oder geht es nur noch ums große geld? denn eins dürfte unbestritten sein: wenn die stadtbezirksgalerien dicht machen müssen, weil sie nicht mehr subventioniert werden, droht den meisten künstlern, die noch nicht groß im geschäft sind, die vertreibung aus den ausstellungen.“ die vereinzelten privaten neugründungen können den bedarf noch lange nicht abdecken, zumindest nicht in absehbarer zeit. der hinweis, dass durch diesen mangel wieder die wohnungsausstellungen belebt würden, sei „nur als spott zum schaden“ zu verstehen und verletze den stolz alternativer kultur- initiativen, so der sax-redakteur. subkultur soll nicht aus politischen oder wirtschaftlichen gründen erzwungen sein, denn dann verliert sie ihren an- spruch, alternativ und damit frei und unabhängig zu sein, im gegenteil, sie wird auf diese weise zu einer „notgemeinschaft. die kreativen künstler entzogen sich schon immer der hätschelei, sie brauchen auch jetzt keine almosen. werden aber die ausstellungsmöglichkeiten verringert, erübrigt sich jede weitere frage nach der kunststadt, dem kulturellen klima und der lebendigkeit der kunst“, wie die sax meint. die transparente, die jetzt auf der demonstration hochgehalten werden, bringen das problem auf den punkt: „herr kulturminister: weizen muss wachsen, bevor man ihn von der spreu trennt“, so ein namentlich nicht genannter redakteur in der sax. die künstler wollen also verstärkt in die entschei- dungsprozesse einbezogen werden, und nicht nur sie befürchten, dass vieles nicht so demokratisch verläuft, wie sie es sich vorstellen. sie und viele ddr-bürger wollen für die zukunft alles andere als eine „fassaden-demokratie“. das thema greift der psychologe hans-joachim maaz in seinem buch „das gestürzte volk oder die unglückliche einheit“ auf, das 1991 in berlin erscheint. ebenfalls mitmischen wollen die studenten der tu dresden und bringen hochschulprobleme an die dresdner öffentlichkeit, was in dieser zeit nur selten vor- kommt,wiereinerpommerininseiner„geschichte der tu dresden. 1828–2003“ berichtet. ende des monats gehen über 5.000 auf die straße und ver- sammeln sich vor dem rathaus. sie fordern un- ter anderem bessere studienbedingungen durch stipendien und höhere zuschüsse, durch bezahl- bare mieten im wohnheim mit kündigungsschutz,
31 förderung der studentenclubs und kulturellen aktivitäten sowie subventionierte verkehrsbetriebe und eine gesetzlich geregelte studentische mitbe- stimmung. richard mansfeld, volker lenkeit & co. machen von anfang an keinen hehl um ihre skepsis am neuen system. die ersten wahlen seit langem, bei denen es mit an sicherheit grenzender wahr- scheinlichkeit kein 99-prozent-ergebnis gibt, stehen bevor. und sie mischen sich künstlerisch aktiv in die wahlvorbereitungen ein! nach den aktionen vom 13. und 14. märz folgen weitere für den wahl- sonntag: mit „artefakt ex tra. aktionen dresdner künstler zur ärschten demokratischen wahl“ be- schreibt mansfeld die verrückten und spektakulären aktionen, die sie sich gemeinsam überlegen und durchführen. am wahlsonntag, dem 18. märz, geht es um 7 uhr morgens vor dem wahllokal in der güntzstraße mit ihrem wahlessen los. der hinter- grund: die ddr-bürger müssten erst einmal bei- gebracht bekommen, was es überhaupt bedeutet, demokratisch zu wählen! mansfeld provoziert voll ernsthaftem witz und schalk: „wir ddrchens sind ein bisschen ungeschickt. vierzig jahre wurde über uns entschieden, plötzlich sollen wir ent- scheiden. (…) jetzt dürfen wir wählen, wem wir glauben wollen. soviel demokratie macht richtig konfus. und konfus-sein macht traurig. man müsste mal was machen, worüber die konfusen verschie- dener glaubensgemeinschaften gemeinsam grinsen können.“ um den armen, laut mansfeld von der schwierigen wahlentscheidung völlig überforderten ddr-bürgern den übergang vom sozialismus zu erleichtern, bieten er und lenkeit für den anfang eine wahl, die die bürger dort abholt, wo sie ge- rade stehen: sie bieten kostenloses essen, aber nicht irgendetwas, sondern politisch gehaltvolle nahrung, „d. h. schmalzbrote mit lebensmittelfar- be. rote, blaue, gelbe, grüne … wählen sie!“ nicht jeder kapiert den nicht nur politischen, sondern auch humoristischen nährwert, und so mokiert mansfeld sich später über diesen „affektierten reporter vom rias“, der wissen will, was die jun- gen männer mit ihrer aktion aussagen möchten. mansfeld war bis dahin nicht klar, „dass auch westler so naiv sind“. deshalb fragt er, ob der rias-reporter vielleicht quark bevorzugt? „von lenkeit und mir bekommt er jedenfalls welchen. wir schenken ihm ein saublödes intellektuellenge- schwafel aus beuys mit fett, heilerde und weltver-
32 besserung durch faulheit. der reporter frisst den quark und verschwindet.“ nach der wahlessens- ausgabe bummelt mansfeld ganz gemütlich durch die stadt. er spaziert über den pirnaischen platz vorbei an der jetzigen städtischen galerie und ent- langderheutigenwilsdrufferstraße,diedamalsnoch ernst-thälmann-straße hieß, auf den altmarkt. aber was muss er dort sehen?! es ist unfassbar, was der fernsehsender sat1 hier für einen rummel veranstaltet. es erinnert mansfeld derart peinlich an honeckers volksfeste zum „kampf- und feier- tag der arbeiterklasse“, dass es ihn schmerzt. und heino singt auch noch dazu. am gleichen tag eröffnet konrad maass seine ausstellung mit malerei und grafik in der galerie nord in der leipziger straße 54/56. maass ist 37 jahre alt und hat sich auf landschaften, stillle- ben und aktdarstellungen spezialisiert. er stammt ursprünglichausrostock,ist1978inselbflorenzge- kommen und hängen geblieben. ebenfalls am 18. märz wird zu ehren seines 90. geburtstags die erste retrospektive von joachim heuer eröffnet, ganz feierlich im albertinum. dieser alteingesessene dresdner künstler hat von 1919 bis 1925 an der dresdner akademie studiert, unter anderem bis 1923 bei oskar kokoschka. zu seinen dresdner zeitge- nossen gehörten wilhelm lachnit und otto dix, mit denen er sich ausgetauscht und zeit verbracht hat. mit „meine ersten 100000 jahre“ von györgy ghyczy aus budapest begeistert die galerie gebr. leh- mann ihre besucher jeweils mittwochs, freitags und samstags an den nachmittagen. auch die vernissage findet zu einer durchaus christlichen zeit statt: um 16 uhr! lange bevor kunstwerke für die messestände in basel, hongkong und miami in luftpolsterfolie verpackt und verschickt werden, noch bevor jemand von angeregten sammlerge- sprächen in new york träumt, besteht schon ein ganz klarer führungsanspruch. dieser wird auch umgehend und für alle ewigkeit in folgende be- rückende wortform gegossen: „die galerie gebr. lehmann ist ein wohnungsprojekt (!) seit januar 1988, um lücken im hiesigen kunstgeschehen zu verringern. die resonanz gibt dieser unterneh- mung recht.“ die galerie gebr. lehmann gibt den „fast ausgeschlossenen der offiziellen kunstbühne“ ein podium. in der null-ausgabe von reiterin stellt die galerie weiterhin klar, dass ihr konzept aus
33 zwei schwerpunkten besteht: erstens sollen junge und jüngste künstler vorgestellt werden, zweitens konzentrieren sie sich „auf dresdner spezifik“, wobei die sprache teilweise übertrieben funktional klingt: „eigenheit und darin begründete vielfalt der dresdner tradition wird anhand unterschiedlicher persönlicher entwicklungen dokumentiert. vorhandene gegebenheiten und individuelle vorstellungen von ausstellenden und galerie gebr. lehmann erzeugen reibungen, die werk- stattähnliche bedingungen hervorrufen. galerie gebr. lehmann setzt dresdens reiche tradition an privater initiative fort und sieht diese stadt als eigenständige, lebendige kunstmetropole.“ während eberhard havekost und thomas scheibitz, die zukünftigen „stars“ der gebr. lehmann, sich innerlich langsam darauf einstellen, künstler zu werden, dreht hubertus giebe, eine generation älter, gerade voll auf: 1990 ist er an mehr als zwanzig ausstellungen beteiligt. es ist ein enorm erfolg- reiches jahr für ihn. ähnlich ergeht es christoph tannert. es scheint kaum ein katalog oder eine eröffnung ohne ihn auszukommen. unter dem titel „vom auffinden der spuren“ schreibt er 1990 brillante sätze: „ohne radikalismus kommt man nicht mal zu einem der ,kleinen schritte‛, die die politpragmatisten immer empfehlen (wohl wis- send, sie schütten nur die asche von gluten, die sie nicht kennen, auf unseren lebenstisch). wenn also ende der achtziger jahre auf der einen seite künstler stehen, die den mythos als aufklärungs- struktur betrachten (weniger als ,rückfall‘ in die verschleierung von wirklichkeit), aber nicht so sehr kopf als vielmehr tiefenpsychologische bereiche ansteuern (wie beispielsweise die ,autoperforati- onsartisten‘ mit ihren ritualen), findet sich ihnen gegenüber ein künstler wie hubertus giebe, der der kritischen vernunft nach wie vor vertraut, mythos und logos aber nicht als gegensatzpaar ansieht.“ und fast schon mit dadaistischem slang kon- kretisiert tannert wenige zeilen später: „giebe ist geblieben. (…) nun sitzt er, frei wie im saum einer schutzmantelmadonna, mit muttermördergelüsten an den brüsten, die ihn erdrücken, während sie ihn nähren. ein enormer bilder-ausstoß ist die kompensationsfolge dieses kruden alltags.“ in der neuen dresdner galerie sind arbei- ten der letzten jahre von giebe unter dem titel „geschichtsbilder“ zu sehen. erhard frommhold hält die eröffnungsrede zur ausstellung: man wisse,
34 dass giebe ein hochreflektierender künstler mit einem enormen wissensfundus sei, aus dem er schöpft. der begriff „geschichtsbilder“ sei dem- entsprechend kein leicht dahin geworfenes wort, sondern gründe auf giebes tiefgründiger ausein- andersetzung mit den schriften walter benjamins. die schau vermittle einen querschnitt durch das expressive, inhaltlich vielfältige und von existen- ziellem ausdruck getriebene schaffen giebes.
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37 die ig neustadt sagt adé zu „betonfetischismus“ und nein danke zu gentrifizierung. erstausgabe der sax und ein videopalast zieht im kulturhaus pentacon ein. andreas hegewalds brandbilder im leonhardi- museum. die neustadt entwickelt sich schnell zum künstlerischen und (gegen-)kulturellen zentrum dresdens. entsprechend kommt ihr in bildern, fotografien und malereien besondere aufmerk- samkeit zu. betty schöner dokumentiert das quartier umfassend. lothar sprenger fängt in seiner foto- grafie der böhmischen straße/ecke alaunstraße an einem sonnig-klaren tag die „ästhetik des ver- falls“ ein – die vielleicht etwas zu poetische formu- lierung für die realität. reinhard springers häuser in der neustadt dagegen sind unfassbar trostlos und grau. er hat eine ganze reihe davon jeweils in mischtechnik auf papier gemalt. überall besteht die sorge, dass die alten bewohner ihre häuser verlassen und luxussanierenden investoren wei- chen müssen. dass die sanierung natürlich durch- aus auch auf der hand liegende vorteile hat, wird dabei manchmal fast übersehen. also fragt auch das erstmalig in schwarz-weiß-druck erschienene, und bis heute unermüdlich publizierende und operierende „dresdner journal sax“, für wen die april dresdner neustadt eigentlich saniert wird: „dresd- ner neustadt – aufbau statt abriss. die dresdner neustadt soll wiederaufgebaut werden. fragt sich nur, ob ihre jetzigen bewohner etwas davon haben werden …“ und „auf der suche nach der verlorenen stadt. ein neustädter über das ,stadtviertel zum anfassen‘.“ die wende rettet die äußere neustadt aber definitiv vor dem sicheren verfall, auch das ist in der sax schwarz auf weiß zu lesen und zeigt einmal mehr die extreme anspannung und atem- losigkeit, welche dieses jahr prägt: „während der betonfetischismus, wohnungsbauprogramm ge- nannt, über die südhänge vor der stadt wucherte, erinnerte die äußere neustadt an eine goldgräber- siedlung, die nach und nach von ihren minern ver- lassen wird. was die bomber vor 45 jahren verschont hatten, ruinierte das wasser, das durch kaputte dächer und fenster ungehindert in die häuser eindrang. wie hilflos die bürokratie dem verfall gegenüber war, oder besser, wie ignorant, bewies der plan, 60 prozent der gebäude abzureißen. sanierung mit dynamit und stahlbirne, das verschwinden der neustadt schien unaufhaltsam.“ aus diesem grund bildet sich schon 1989 die ig neustadt – ihre mitglieder sind die bewohner dieses „kleinen gallischen dorfes“ von dresden,
38 und bieten den „römern“ die stirn! diese mutigen bürger beschließen, den völlig aussichtslosen kampf gegen die verwaltung aufzunehmen. in zahlreichen gesprächen werden die schier un- überwindbaren hindernisse für die sanierung des gründerzeitviertels aufgeworfen. es muss doch einen weg geben, dieses fantastische architektur- ensemble zu erhalten, in dem sich die menschen wohlfühlen, gerne wohnen und arbeiten. einerseits ist klar, dass der verfall nun ge- stoppt werden würde. es ist aber unklar, wie und mit welchen konsequenzen. die neustädter sind nicht so naiv zu glauben, dass investoren ihnen aus reiner nächstenliebe hilfe anbieten werden. die geschichte des londoner hafenviertels ist auch schon bis nach dresden durchgedrungen, und was dort passiert ist, wünscht sich für die neustadt nun wirklich keiner: in london hat man prächtig saniert, jedoch mit dem ergebnis, dass kaum einer der früheren anwohner sich die neuen mieten noch leisten kann. für die neustadt besteht das gleiche risiko, denn nur ein drittel des bestandes ist in kommunalem besitz. deswegen reichen die anwohner beim rat eine beschlussvorlage mit dem poetisch klingenden titel: „förmliche festlegung der äußeren neustadt als sanierungsgebiet und die erklärung der ehemaligen antonstadt zum milieu- schutzgebiet (ausgenommen das alte ,preußische viertel‘)“ ein. übrigens: was des stadtmagazins würdig ist oder nicht, auch das entscheidet sich erst mit der zeit: wird am anfang das fernsehprogramm veröffent- licht, schafft es die systematische angabe von kunstausstellungen und vernissagen erst mit der zeit ins heft. hier zeigt sich, was wann als rele- vant gilt, und was nicht, und dass meinungen sich (glücklicherweise) ändern und entwickeln. was sonst noch passiert?! kino, theater, tanz: es ist was los. aber was! das rundkino präsentiert voller stolz „asterix – operation hinkelstein“ und in der schauburg läuft „das lächeln der sonne“, „slam dance“ und „die olsenbande fliegt über die planke“. man beachte: kinofilme werden ohne zeitangabe angekündigt! einzig der tag wird ver- raten. man gehe hin und lasse sich überraschen. am sonntag scheint außerdem kaum jemand interesse an einem kinofilm zu haben, denn es laufen nur zwei zur auswahl: in der ganzen stadt!
39 in der scheune wird getanzt unter dem motto „disko, nee, das is (k)een witz!“. viel lieber als ins kino gehen die dresdner ins theater, zumindest macht das programm den eindruck: es gibt „das tapfere schneiderlein“ und „spiels nochmal sam“ im puppentheater, im tjg „das tagebuch der anne frank“, „evita“ in der staatsoperette, eine matinee und „elektra“ in der semperoper. im kulturhaus pentacon hat lange die „zeitweilige kommissionkunstundkultur“jedewocheüber„er- haltenswertes“, „neue projekte“ und „veränderte strukturen“ beraten. das ist vorbei, statt kultur- politik gibt es dort nun unterhaltung, denn der „video palast“ zieht ein. der aufbau des schlosses dagegen wird mit einer unkonventionellen spon- soring-aktion vorangetrieben. so berichtet die sz am 27. april, dass der verkaufserlös von 1.500 bier- dosen der marke holsten auf der prager straße für den wiederaufbau des schlosses gespendet wird. der verband bildender künstler der ddr (vbk) ist seit anfang des monats mit seiner eigenen auflösung beschäftigt, und auch hier wirbelt der neuordnungsprozess alles durcheinander. die ag leonhardi setzt ihr ausstellungs-programm im leonhardi-museum in freier trägerschaft fort. die erste schau des jahres 1990 knüpft nahtlos an die irre aktion alltag – 5 tage für elba vom herbst 1989 an. andreas hegewald, der dort zu- sammen mit dem cellisten peter koch den zweiten abend gestaltet hatte, zeigt jetzt in einer einzel- ausstellung seine jüngsten arbeiten. er hat an der hfbkdresdenvon1978bis1983malereiundgrafik studiert. ein jahr nach seinem abschluss gründet er zusammen mit petra kasten und lutz fleischer den leitwolfverlag. im leonhardi-museum ist er mit zwei vorangehenden ausstellungen schon eine bekannte größe. unter dem ausstellungstitel ru- mor zeigt er diesmal im großen saal des leonhar- di-museums fünf große brandbilder: rumor i–iv mit beeindruckenden formaten von jeweils 3 x 1,5 metern. weiterhin setzt er sich in der plastischen arbeit stele für tschernobyl mit der atomenergie auseinander, und verwendet hierfür die materia- lien holz und beton. tschernobyl liegt erst weni- ge jahre zurück und ist noch nicht aus den köp- fen verschwunden. sieben jahre später schreibt hegewald über seine brandbilder, dass sie „die kraft des natürlichen, dem alles zeitliche anheim-
40 fällt“ deutlich bezeugen. sie bestehen aus einem einzigartigen material, aus „vergilbtem polyur- ethan“. hegewald hat die gefundenen platten schwarz angemalt. er spielt mit einem schockmo- ment: die scheinbar dauerhafte plaste fängt nach zehn jahren an auseinanderzufallen. der unheim- liche moment, der dem betrachter „das grausame und beruhigende“ des verfalls vor augen führt, trifft bei ihm auf den schrecken und die angst vor den durch menschen bewirkten verwüstungen – wie es bei tschernobyl auf so langfristig zerstöre- rische weise geschehen ist. neben den beiden ausstellungen im leonhardi kann hegewald 1990 bereits auf eine beeindruckende reihe von einzelausstellungen zurückschauen. auf der 12. bezirksausstellung in dresden ist er mit drei offset-grafiken vertreten. jens-uwe sommer- schuh schreibt über hegewald entsprechend em- pathisch, wobei er indirekt auch auf die umwälzun- gen der zeit eingeht: „hegewalds kunst ist heute unwillkürlich gegenentwurf zur draußen tobenden sucht zu dominieren und zur millionenfachen ausflucht, wenn nicht dominieren zu können, sich irgendwelchen dominanten masochistisch zu un- terwerfen.“ und weiter: „sechs rathaustürengroße tafeln in warmen honig- und bernsteinfarben waren der malgrund für seine bilder. nicht er hat dieses goldbraun, erdbraun, kotbraun, dieses braungold, biergold, bienengold hervorgebracht, nein, die natur hat diese töne gebrannt. die tafeln sind platten aus polyurethan, die das institut für leichtbau in klotzsche zum test der witterung ausgesetzt hatte. verfärbt, gerissen, zerschrunden, blasig und ge- brochen – einer wissenschaft, die uns menschen kunststoff für kunststoff, gerät für gerät glückli- cher macht, haben sie rational genüge getan.“ die platten entdeckend hat hegewald in ihnen bilder gesehen, sie ausgewählt und modifiziert, womit er sich auch auf die spuren von marcel duchamp begibt. sommerschuh fährt fort mit seiner be- schreibung, wie hegewald die „brandzeichen“ mit seiner eigenen künstlerischen bildsprache ergänzt, und wie er dabei „mit fast schüchterner, mit rücksichtsvoller hand“ vorgeht und das schwarz gleichberechtigt werden lässt. „vögel, federn, fabelwesen, flammen, pflanzen, faun- figuren, bewachsen und beseelen die auf sand- steinblöcken ruhenden, an den wänden lehnen- den tafeln; auf- und abschwellende linien, bögen, kurven, tropfen, schwünge: die gabel. der träger. die flucht. die wolke ...“
41 das leonhardi-museum hat eine strikte planung, denn ausstellungen werden nur von april bis okto- ber gemacht. das hat einen grund: die räume sind nicht beheizbar und im winter keinem normal- sterblichen zuzumuten. auch die kunstwerke würden bei minusgraden leiden. der dissertation von an- gelika weißbach von 2009 ist zu entnehmen, dass das haus eine „heroische geschichte“ hat, ist es in der ddr doch der einzige ausstellungsraum, „an dem es künstlern über drei jahrzehnte hin- weg gelungen ist, offizielle strukturen (aus-) zu nutzen, um in produktiver eigenständigkeit einen freiraum für bildende kunst zu schaffen. und die erzeugung freier luft, selbst wenn es sich dabei um eine fata morgana, ein trugbild freiheitlicher selbstbestimmung handelte, hatte in einem von einer mauer umschlossenen land wie der ddr einen stellenwert, der schon heute nur noch schwer zu ermessen ist.“ immer wieder gibt es in diesem jahr probleme mit rechtsradikalen, brutale anschläge, prügeleien. sie randalieren und verbreiten angst und schre- cken. in der neustadt gehören sie zum traurigen alltag. es vergeht kaum ein wochenende hier, an dem sie nicht in größeren gruppen von meistens um die fünfzig oder mehr „glatzen“ vor dem café 100 oder der bronxx auftauchen. am 9. april wird zwischen halb und um acht wieder einmal ein café von skins („oi’s“) überfallen. sie werfen mit steinen die fenster ein, volle bierflaschen auf die betreiber und klauen die kasse. glücklicherweise ist die polizei schnell zur stelle. sie kann an die- sem tag zumindest verhindern, dass es verletzte gibt. von all dem berichtet ein artikel, der im mai 1990 in der sax erscheint, jedoch geht aus ihm nicht hervor, welches café betroffen ist. eventuell ist es der coffeeshop bronxx. mehrere fotos, auf- genommen von jörg-uwe obst, illustrieren den artikel. es ist die zweite ausgabe des magazins, und manches muss sich erst noch einspielen – nicht nur bei stadtmagazinen, sondern auch ganz offensichtlich bei den fernsehsendern. eine seite nach dem interview ist im heft folgende erklärung zu lesen: „betr. tv. zum redaktionsschluss stellte sich definitiv heraus, dass einige tv-anstalten so zeitig noch nicht wissen, was sie in nächster zeit in die luft funken wollen. die folge für sax: vorläufig kein tv-terminal.“ es geht einfach drunter und drüber in diesem jahr!
42 ab dem 9. april zeigt der frühlingssalon ’90 der dresdner kunsthochschule vor allem gemälde. damit unterscheidet er sich deutlich von voran- gegangenen frühlingssalons, in denen haupt- sächlich installationen und performances präsent waren, die nicht selten skandale provozierten. 1988/89, so schreibt ute billig in reiterin, war er „eine provokation öffentlicher wie innerschuli- scher ordnungen gewesen, so dass polizeibeamte, stadträte für kultur und ähnliche gremien sich genötigt sahen, über kunst zu diskutieren, um ge- nehmigungen zu erteilen oder zu entziehen.“ holger john, einer der organisatoren und noch heute bekannt für seine legendären parties, sagt, dass es hier vor allem darum ginge, eine gute ausstellung zu machen: zum teil bestand sie „aus im unterricht gewachsenen ergebnissen“ und zum anderen teil aus werken, welche die kunststudenten neben der ausbildung schufen. reichardt beklagt gleichzeitig eine aufkommende trägheit und lethargie unter dem studentischen jungvolk. während sie sich früher strotzend vor tatendrang in die hände spuckten, ärmel hoch- krempelten und loslegten, sei jetzt kaum noch die bereitschaft vorhanden, auch die „arbeiten des umfelds“ zu übernehmen, wozu auch die wenig pathetischen und sicher nicht prestigeträchtigen aufgaben wie organisation, hängung und das herumfuchteln mit lappen, schwamm und besen gehören. wanda stöhnt und fährt leicht entnervt fort, was für „eine eigentlich passive, elitäre hal- tung“ sich auch hier in der hochschule schon breit gemacht hat. zusammen mit der antihaltung von 1988/89 verschwindet auch die initiative vieler studenten – da stimmt john ihr wissend zu. am ende verteilt sich die lästige arbeit auf immer weniger schultern, so kommt es ihnen vor, dass „letztendlich (…) etwa fünf bis zehn studenten den frühlingssalon“ organisieren, die dann auch noch die arbeiten und bilder ihrer „trägen“ kommilito- nen für die schau „beschlagnahmen“. es gibt auch deutlich weniger besucher und presse als in den jahren zuvor. das kann natürlich bedeuten, dass die ausstellung langweilig geraten ist, aber auch, dass nicht nur die studenten, sondern auch die dresdner ausstellungsgänger träger geworden sind. oder gibt es schlicht wichtigeres? zur eröff- nung spricht der kulturwissenschaftler dr. klaus nicolai, und auch hier schwebt ein hauch lethargie im raum: „jüngste geschichte liegt aufgebahrt am boden. inventarisiert die journale, die pflaster- steine geordnet, ata und pulax zur besichtigung
43 freigegeben. in den schaufenstern stapeln sich die coca-pepsi-fanta-skulpturen. das publikum ist international wie die ware. jetzt kann nur noch kunst helfen …“ hilfe kommt wie so oft in diesem jahr aus der partner- stadt hamburg. bruni regenbogen verschifft acrylbilder und zeichnungen von der hansestadt ins elbflorenz und lädt sie in der galerie comenius wieder aus. „androgyne“ erklingt als präludium für die gründungsausstellung der sezession 89. das publikum spitzt die ohren, die augen weit aufgerissen, die wilden farborgien einsaugend. regenbogen studiert zwar zunächst malerei in berlin, hamburg und an der kunstakademie düssel- dorf, macht dann aber vor allem durch die musik von sich reden, wie der autor dieter emil baumert berichtet: von 1977 bis 1982 ist sie liederma- cherin, komponistin und musikerin in der band „schneewittchen“. regenbogen steht mit wolf biermann, hannes wader und ina deter auf der bühne. ab 1986 widmet sie sich dann wieder der malerei und plastik. ruhiger als bei comenius geht es im gleichen zeit- raum im kupferstich-kabinett zu, wo neue blätter aus der tschechoslowakei stolz präsentiert werden. das albertinum wiederum will das publikum mit münzen und medaillen aufrütteln und ihm im spiegel dieser objekte die geschichte und kultur mährens vermitteln. der dresdner sammler fried- rich pappermann bespielt mit seiner sammlung zeitgleich virtuos den klingersaal. nicht weit weg von der brühlschen terrasse, ein- mal die treppe hinunter gestolpert und über den theaterplatz galoppiert, dort, wo eben noch andrea türke zeichnete und betty schöner sich die füße im angetauten anthrazitschnee bis auf die knochen durchnässen ließ, treffen sich nun ende april ein paar namhafte persönlich- keiten aus der dresdner kunst- und kultursze- ne. die semperoper wird zum schauplatz für die gründung eines neuen sächsischen kunstvereins. das neue an der situation: keiner hört heimlich mit. diese leute wollen eine institution wieder- auferstehen lassen, die seit 1828 existierte, 1946 aber durch politische entscheidung geschlossen wird. der neue sächsische kunstverein sieht sich in
44 der tradition und in der nachfolge des sächsischen vereins zur beförderung der bildenden kunst und zur ermutigung der künstler, der 1828 von johann wolf- gang von goethe und johann gottlob von quandt in dresden gegründet worden ist. ein paar ver- änderungen soll es gegenüber dem vorgänger- modell aber schon geben! dazu gehört zum beispiel die öffnung gegenüber allen künsten und zeitgenössischen kunstformen wie multi- media-kunst. zu den illustren gründungsmitgliedern zählen unter anderem johannes heisig, der stra- walde-schüler und bildhauer peter makolies, der kulturpolitiker im rat der stadt dresden joachim sacher, dr. werner schmidt und der maler und grafiker max uhlig. für den 29. april organisieren sie die 1. benefiz-ausstellung und auktion des neuen sächsischen kunstvereins im bankettzen- trum hotel dresdner hof. dr. schmidt, in diesem jahr zum generaldirektor der skd ernannt, hat für dieses jahr noch große pläne: eine exil-ausstel- lung mit künstlern, die die ddr verlassen haben.
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47 die verschließung der villa marie. was es mit einem segel im traum einer tollen frau auf sich hat. westreise wird für dresdner künstler zum „horrortrip“ und rechts- radikale überfallen szenecafé in der neustadt. nach der null-ausgabe im märz erscheint im mai die 1. ausgabe von reiterin, nun auch nicht mehr kostenlos, sondern für 6,– mark und außer- halb der ddr für 6,– dm. zur gründungsabsicht des magazins befragt, antwortet a. r. penck lachend: „das sollen sie sein lassen!“. das ist am 10. märz 1990 in köln. da ist es aber schon zu spät, denn die null-ausgabe ist gedruckt und penck kann sich diesmal nicht durchsetzen. über dresden murmelt er bei dieser gelegenheit: „jede stadt hat ihre magie, man will an diesen ort. so wie du mich fragst, ob ich zurückgehen will. für mich hat dresden das nicht! (…) dresden hat was ganz besonderes. für mich etwas blödes, beschissenes, total im arsch.“ ob seine holzobjekte als kunst oder kunsthandwerk angesehen werden, ist dem in dresden geborenen lüder baier herzlich egal. er hat diverse kunst- preise gewonnen, darunter 1955 den staatspreis der bayerischen landesregierung münchen; 1957 erhielt er ein diplom der triennale mailand und 1985 den kunstpreis der ddr. seine arbeiten sind abstrakt, etwas dekorativ und politisch völlig un- verfänglich, somit kann er in der ddr relativ ent- spannt leben. im mai stellt er seine filigranen holz- objekte in der galerie kunst der zeit der meinung des kritischen dresdner publikums. rund sieben wochen nach den ersten freien volkskammerwahlen werden am 6. mai auch zum ersten mal unabhängige parlamente in den städten und gemeinden frei gewählt. evelyn müller, die präsidentin der dresdner stadtverordnetenver- sammlung wird sich 1992 hierüber folgendermaßen äußern: „die entmündigung des volkes in der früheren ddr kam auch in der politischen be- deutungslosigkeit der volksvertretung zum aus- druck.“ dies sei ein grund dafür gewesen, dass die menschen während der friedlichen revolution „besonders bürgernähe, transparenz“ und öffent- liche kontrolle einforderten. wo im januar noch andrea türke fröstelnd zeichnet, da wird nun ganz in der nähe bei mildem son- nenschein die erste austauschausstellung mit mai
48 westdeutschen kunststudenten aufgebaut. ab dem frühen nachmittag des 7. mai sind plastiken und zeichnungen von bildhauerstudenten der jahrgänge 1982 bis 1990 aus der fachhochschule hannover-herrenhausen in den räumen der hfbk anzuschauen. die sax druckt repräsentativ das bild einer installation des heute fast vergessenen wolf- gang jeske ab. drei tage später schon eröffnet die gegenausstellung in hannover. die beiden teile deutschlands wachsen zusammen, und wieder reisen ein paar aufgeregte kunststudenten zum ersten mal in den fremden westen. zeitgleich fängt gunther neustadt an, mit seinen freunden und der dresdner wanderzunft die le- gendäre kümmelschänke auszubauen. zuvor ist neustadt schon eine treibende kraft in der neustadt! ihm ist es zu einem großen teil zu verdanken, dass die legendäre „scheune“ das ist, was sie bis heute (geblieben) ist: ein treffpunkt für alle künstler, kreativen und das feierwütig-alternative volk: „mit geballter kraft“ hat er die ehemalige „nah- kampfdiele mit disco-betrieb“ über die jahre zum alternativen und stilprägenden kulturzentrum gemacht. hier spielen krachend wilde punkbands mit ihren irren frisuren schon, als andere klubleiter noch krampfhaft, manchmal auch unter druck und unter fadenscheinigen gründen versuchen, diese „antisozialistischen provokationen“ abzuwimmeln. „um solchem druck standzuhalten, braucht man natürlich ein kreuz und daran mangelt es dem ex-direktornunwirklichnicht“,sodertenorindersax. mit ebensolchen ambitionen wie gunther neu- stadt und dem wunsch, die gesellschaft mitzu- gestalten, tritt das kulturjournal reiterin an und titelt offensiv: „die zukunft wird gemacht. ver- such einer selbstverständigung.“ am 10. mai ist die grundstimmung in der redaktion aber etwas verhalten. es kommt enttäuschung auf über die art, wie die wende läuft: gerade mit der bevorste- henden einführung der d-mark werden nach ihrer ansicht die „illusionen des herbstes (…) zu grabe getragen; künstlerschutzverbünde und ähnliche selbsthilfegruppen werden installiert“. aber geht es wirklich abwärts?! ein großes thema ist in der zeitschrift auch, wie der künstleralltag von außen wahrgenommen und in den meisten fällen doch noch skeptisch be- trachtet wird. „klischeevorstellungen vom abgeho-
49 bensein, vom sendungsbewusstsein einer auserle- senen kleinen schicht menschen.“ die abendlichen aktionen und veranstaltungen im leonhardi-mu- seum beweisen aber, so findet sie, genau das ge- genteil der über künstler hartnäckig kursierenden klischees. hegewald, der im leonhardi-museum im vorangegangenen jahr mit dem cellisten peter koch eine musikalische performance mit live-zeichnung inszenierte, spielt auch unter diesem gesichtspunkt eine wichtige rolle. mit seinen brandbildern schafft er es für den 1. mai auch zum tagestipp in der sax. hier ist zu lesen: er greife in seiner laufenden aus- stellung „ein wort des berliner dichters andreas koziol auf. mit sechs brandbildern und einer stele gibt er wieder, was dieses wort für ihn an zeitprob- lematik erfasst. so übertragen sich innere unruhe, bewegung und drängen auf den betrachter, durch jedes einzelne bild und ihre zuordnung zueinander.“ denblickaufeinenzulebzeitenübersehenen,underst 1990, vielleicht nicht brand-, aber doch sehr aktuellen künstler,richtetdasalbertinumbisendejunimiteiner ausstellung über lasar segalls (1891–1957) malerei, zeichnung, grafik und skulptur. segall hatte es unge- meinschwer:geboreninvilnius,absolvierterab1910 an der kunstakademie dresden sein meisterschüler- studium und gründet mit den künstlerfreunden otto dix, conrad felixmüller und anderen die dresdner sezession. von den nazis verfemt kommt es, dass die staatlichen kunstsammlungen 1990 von diesem künstler kein einziges werk in ihrer sammlung entdecken können. auch nicht nach auf- wändigem wühlen und forschen! es ist einfach ver- gebliche mühe. alles ist weg, und noch nicht einmal eine dauerleihgabe lässt sich ausgraben. dafür aber gibt es in weiter ferne ein ganzes museum, das einzig diesem in dresden weitgehend ignorierten künstler gewidmet ist – das museu lasar segall in saõ paulo, brasilien. schon jahre zuvor hatte fritz löffler belegt: „segallgaltimmerhinalseinerderwichtigstenanreger des dresdner kunstgeschehens in den jahren zwischen 1910 und 1920.“ nach mehrfachen reisen und ausstellungen zieht der künstler mit jüdisch-litauischen wurzeln 1923 ganz nach brasilien und wird dort berühmt. kein museum, aber eine gartenstadt, nein! die gartenstadt hellerau und ihre zukunft bewegt am 17. mai im stadtrat die gemüter der dresdner politiker. ein vorhaben, dass an einem einzelnen
50 tag natürlich nicht im ansatz abgeschlossen werden kann, und so wird das prozedere im august noch einmal wiederholt. selbst dann dauert es aber noch über zwei jahre, bis ein beschluss gefasst wird: die veränderung an der bausubstanz muss genehmigt werden – sonst kann es für die zukünf- tigen bauherren richtig teuer werden. bei dieser gelegenheit wird auch ein erster förderverein für die europäische werkstatt für kunst und kultur hellerau e. v. gegründet. nach der stadtratsversammlung gehen einige der politiker gleich nach hause, andere zieht es in die kunstausstellung kühl. hier sind arbeiten aus dem atelier des abstrakten künstlers hermann glöckner zu sehen. als mitbegründer des kons- truktivismus hat er lange und mit hohem kraft- aufwand um anerkennung kämpfen müssen: erst wollen die nazis nichts von seiner kunst wissen, dann wird im krieg fast sein gesamtes frühwerk zerstört und später reagiert auch die sozialistische einheitspartei mit wenig begeisterung. bis in die 1950er jahre schlägt er sich ob des widerstands mit „brot-plastik“ durch. dank großartiger unter- stützung von freunden erreicht er dennoch sehr viel und kommt zu einiger bekanntheit. 1984 erhält er mit einem nationalpreis der ddr sogar staatliche anerkennung. vor dem bonner bundeshaus steht seine metallplastik durchbruch (1980/1992). 2006 wird sogar eine straße in loschwitz nach ihm be- nannt – in dem stadtteil also, auf dessen friedhof er seit 1987 begraben liegt. glöckners grabstein fertigt übrigens der bildhauer peter makolies. hermann glöckner ist tot und kann sich an seiner ausstellung nicht mehr erfreuen. die galerie gebr. lehmann in der institutsgasse 4 aber zeigt werke von lebenden künstlern. bei der nachmittäglichen eröffnung schraubt betty schöner wie immer ihren verbrauch an schwarzweißfilmen in die höhe und wohl auch der ein oder andere lokalpolitiker mischt sich unter das künstlervolk. hier sind grafiken von cornelia schleime, ralf kerbach und helge leiberg ausgestellt und parallel dazu gibt es um 20 uhr eine lesung des dichters sascha anderson in dem von wanda geleiteten kunsthochschulclub wendel. der club hat eine wendeltreppe, viele lesungen und konzerte finden statt und nach eröffnungen werden wilde parties geschmissen. die lehmänner haben plakate für eine hilfsaktion für rumänien gemacht, die hängen jetzt auch in der wendel. da die verwaltung der hochschule
51 aber keinen besonderen sinn in einem studenten- klub sieht und nicht weiß, was das genau bringen soll, wird er bei den umstrukturierungen, die ab januar 1991 beginnen, geschlossen. fast schon nostalgisch schwelgt volkmar billig in alten erin- nerungen, „nun schwappt (…) in diesen tagen das gewesene dresden nochmal an die oberfläche, das ja immerhin auch ein stück ddr war“. welche farbe diese schwappende brühe des herrn anderson aber hat, wird erst ein jahr später offenkundig. während alles so nett geplant ist und sich im voraus prima anhört, wird eine künstlerreise nach krefeld für betty schöner und die anderen beteiligten zum absoluten „horrortrip“. betty schöner begleitet richard mansfeld, willy müller, hendrik silbermann und holger lippmann zu deren ausstellung im krefelder kunstverein. vergnügt und guter dinge steigen sie in dresden in das fahrzeug ein. sie fahren alle zusammen, natürlich in einem trabi. das ist am billigsten. für die truppe ist es zwar nicht die erste reise in den westen, dennoch haben sie kaum eine ahnung, wie es dort aussieht, wie es dort zugeht. buntschillernde vorstellungen haben sie natürlich alle. aber ob ihre bilder im kopf auch der realität entsprechen? der wilde westen ist nichts für zarte gemüter. die künstler kommen hungrig, verschwitzt und ohne einen müden pfennig in der tasche an, nur mit trabi und fackel. sie improvisieren die ganze zeit. das hat aber nichts mit einer spektakulären performance zu tun, sondern sie üben sich in einem gnadenlosen spagat der anderen art: sie lernen die brutale realität der marktwirtschaft kennen. in der ddr reichen 5 mark für eine ganze woche, in krefeld bekommen sie dafür eine bockwurst und ein bier. betty schöner: „wir fühlten uns wie heim- kehrer aus dem krieg. es war eine total fremde welt, einfach haarsträubend.“ die dortigen orga- nisatoren aber gehen selbstverständlich davon aus, dass jeder 500 dm in der tasche hat. und wie denen das nun erklären, ohne sich lächerlich zu machen? wieder betty: „wir konnten uns ja noch nicht einmal fahrkarte kaufen, weil wir nicht wussten, wie automaten funktionieren.“ die brd ist für die reisenden paradies und hölle zugleich: die wessis vermitteln ihnen den eindruck, als hätten sie schon alles erlebt, gesehen und gehabt, „vergessen“ dabei aber gleichzeitig, die ddrler zu bezahlen. fast ein wunder, dass diese mutigen aktivisten nach dieser erfahrung über-
52 haupt jemals wieder das gebiet der ehemaligen ddr verlassen. dabei war es doch so eine tolle ausgangsidee! und im endeffekt war es natürlich auch erst der anfang. entstanden ist die idee für diese ausstellung bereits ein jahr zuvor als erste von acht mit dem konzept, im zeitrahmen von jeweils zwei jahren jun- ge kunst zu präsentieren. und im gegenzug gibt es einige zeit später eine ausstellung krefelder künst- ler in der galerie gebr. lehmann. wahrscheinlich sind die wessis beim anblick von dresdens kaput- ten häusern und der grauflauen tristesse allüberall mindestens genauso geschockt. fast typisch für die dresdner kunstszene mit ihrem hang zum subversiven und grotesken über- legen sich die künstler in krefeld eine verrückte aktion: zwei von ihnen tragen zur vernissage eine mülltonne in das vergnügt plaudernde publikum: der tonne entsteigt heroischen antlitzes richard mansfeld. er küsst den anwesenden die füße, er- nennt „aktivisten der sozialistischen arbeit“ und performt eine verballhornte version des vaterunser: „bruder unser, der du bist im westen, unsere täg- lich deutschmark gib uns heute ...“ am 13. mai 1990 nimmt wanda ihre katze unter den arm. sie dreht den schlüssel ein letztes mal im schloss um. eine ära geht zu ende – die kunst- zeit der villa marie mit ihren intellektuellen dis- kursen und verrückten aktionen. zu den illegalen besatzern, die den abriss verhinderten, gehörten über die zeit auch konrad maass, wolfgang kühne, ulrich eisenfeld und georg blume. in diesem schnappatmigen jahr jagt in dresden ein highlight das nächste. deshalb setzt auch ein performance-marathon den schlusspunkt für die kunst-zeit der villa marie. für den vorabend lädt claudia reichardt alle künstlerinnen ein, „die in den vergangenen jahren mit dem haus in verbindung standen“. eine besonders dauerhafte aktion über- legen sich lutz fleischer, thomas haufe und petra kasten. die drei teeren und federn die elbfront der villa marie! die als pechmarie betitelte intervention bleibt bis zur sanierung ein weit sichtbares zeichen der „kunstzeit“ der villa. und so traurig sich die trennung anfühlt, so wird es doch ein fröhlicher abschiedstag mit performances, installationen und einer handverlesenen, siebgedruckten grafik- foto-mappe als „geschenk“ an marie.
53 in der galerie nord sind figuren des bildhauers jürgen schön und bilder von regina nowacki zu besichtigen. schön, der in dieser zeit ein zusatz- studium an der hdk berlin absolviert, stellt seine arbeiten dieses jahr auch in der galerie der künstler in münchen aus. die galerie adlergasse präsen- tiert die gedichte von uta johanna und grafiken von christiane just. zeitgleich eröffnet die galerie müllerbrunnen ihre ausstellung mit malerei aus hamburg, dresden und sofia. ebenfalls internati- onal angelegt ist die schau in der galerie rähnitz- gasse nr. 8 mit bildern des türkischen malers hannefi yeter (geboren 1947 in bayburt). paul böckelmann, der wie andreas hegewald vor zwei jahren am „projekt elba iii“ beteiligt war, zeigt unter dem titel „boragk-fe“ von mai bis ende juni metallplastiken im leonhardi-museum. von 1977 bis 1982 studiert böckelmann grafik bei gerhard kettner an der hfbk, nur um sich im anschluss in altenau, einem alten dorf zwischen torgau und riesaniederzulassenundgenaudortmitdemplas- tischen gestalten zu beginnen. in seinen plastiken arbeitet böckelmann mit metallabfällen, die er sich aus einer benachbarten schweißerschule be- sorgt. „dünne eisen-blättchen, ausgestanzte platten, gedrehtestangenodereinzelneeisenräder“findet, nimmt und schweißt er zu plastiken. in die ober- flächengestaltung greift böckelmann grundsätzlich nicht ein, den rost schließt er in den künstleri- schen prozess ein, wobei er die vorstellung hat, dass die oxidation die schweißnähte mit der zeit „überdecken und figuren von geschlossener form entstehen lassen“ würde, so die kunsthistorikerin angelika weißbach. jetzt zeigt er skulpturen- gruppen wie der eiserne wald, 1526 und das segel im traum einer tollen frau. „obwohl böckelmann abstrakte formlösungen am geeignetsten er- schienen, um seine reflexionen auszudrücken, können einzelne dieser stahlplastiken eine figür- lichkeit nicht verleugnen“, so weißbach weiter. einige von böckelmanns schrott-skulpturen erinnern an jean tinguely – ohne kinetik. auf jeden fall ist böckelmann kein unbeschriebenes blatt. seit mitte der 1980er jahre zu nationalen und internationlen ausstellungen eingeladen, feiert er mit seiner bildhauerischen arbeit im leonhardi-museum premiere.
54 schnell und eindeutig hat sich die neustadt von anfang an, gleich vor, mit und nach der wende als zentrum des kulturschaffens und der kreativität etabliert. aber auch touristen lockt das viertel an, wobei auch ein hauch von katastrophentou- rismus mitschwingt, wie volkmar billig mit kri- tischem unterton beschreibt: „der von westen einfallende szenetourismus erschließt seit weih- nachten allwochenendlich das neue ausflugsziel. garantiert echter trümmerschutt lockt ebenso wie durchgesickerte nachrichten von nächtlichem underground. auch der journalismus hat sich des gefundenen fressens angenommen, die lauwarme story à la harlem oder neapel gewürzt mit den ge- sammelten leiden stasiverfolgter künstler, geht flüssig von der feder. (…) den eingewanderten ma- lern, schreibern, lebenskünstlern war die neustadt im grunde nicht heimat, eher umsteigebahnhof oder stundenhotel, nachtasyl für staatenlose. sie kamen und gingen, die meisten in den westen, und so viele gingen, so viele füllten ihre freige- wordenen plätze, zugereiste, anarchisten wie ihre vormieter. (…) cafés, kunsthäuser, galerien, kabaretts warenes,diediefehlendeheimatersetzenmussten.“ allerdings sind diese „künstlichen heimatorte“ in dresden lange zeit kaum öffentlich. die künstler haben es schwer, in die eh schon viel zu wenigen galerien der stadtbezirke zu kommen. was an öffentlichkeit bleibt, sind nur wenige, verstreute „inseln der begegnung (…), der klub der kunst- hochschule etwa, die winzerstube am neustädter bahnhof, im sommer der elbe-garten am blauen wunder“, so billig. und so kommt es, dass sich die künstler und kreativen wie zuvor weiterhin in ihren privatwohnungen treffen, um miteinander zu reden, projekte zu besprechen und zu entwickeln, ideen und gedanken auszutauschen. wohnungen sind in dieser zeit immer mehr als nur unterkünfte. die wichtigsten projekte werden hier zumeist am häuslichen küchentisch bei einem radeberger und der einen oder anderen fettbemme entwickelt. vieleversuchegabes,immerwieder,diesepri- vatgalerienöffentlichzumachen.diezuständigenstaat- lichenstellenaberhabendiesmiteinereigeneninter- pretation von verve und einem beachtlichen maß an destruktivität zu verhindern gewusst. die sel- tenen möglichkeiten, werke auszustellen, führten bei den künstlern zu einer hohen fluktuation – es ist ein kommen und gehen in diesem jahr, so billig in seinem artikel „moccafix im bronxx und mehr. ein plädoyer für nacht und neustadt“.
55 die neustadt bei nacht: der rat der stadt schickt die polizei und verfügt die schließung und zwangs- räumung der bronxx. als antwort darauf bleibt die bronxx nun rund um die uhr geöffnet. da die kneipe immer sehr gut besucht ist, will nun keiner mehr die schließung verantworten, und so wird die weiternutzung der maroden räume noch bis zum 31. dezember 1990 befristet genehmigt. auf dringend notwendige baumaßnahmen verzichtet naumann jetzt natürlich, denn er will ja kein geld in den sand setzen und in ein gebäude investieren, das dann eventuell sowieso abgerissen wird. vor ähnlichen schwierigkeiten stehen in dieser zeit im grunde genommen „alle vergleichbaren projek- te“ in der neustadt, ebenso in der friedrichstadt, so billig. im folgenden entwirft der redakteur eine „horrorvision“ davon, wie sich die neustadt entwickeln wird, wenn sie von investoren über- nommen werden sollte. in den düstersten farben malt er sich aus, was passieren könnte: anstatt der aktuellen kunstproduktion raum und möglichkeiten zu geben, sich zu entfalten, wird eine „opulente grabkammer“ eingerichtet, in der die vergangene kunst bewundert werden soll. das bezeichnet er generell als „dresdner tradition“. in der „total- sanierten und verkehrsberuhigten alaunstraße“ wird in diesem fall dann „ein neureiches bürger- tum auf den balkonen dinieren und den zufriedenen blick auf die ,neuwilde‛ fassade des museums für postexpressionismus richten“. egon naumann da- gegen hat eine andere vision: „einer kunst- und kulturstadt dresden“, sagt er, „würde es gut zu gesicht stehen, wenn sie sich auch auf die kunst von unten besänne, nicht nur eine beklatschte, hochdotierte, honorierte kunst, sondern die, die das leben tagtäglich hervorbringt.“ und so sind in der bronxx auch ständig neue ausstellungen zu besichtigen. in diesem mai sind es fotografi- en aus dem „spieltour press verlag“ („für kleine kunst“) und anschließend gibt es „junge kunst aus essen“. am 26./27. mai werden halboffiziell die ddr-meister- schaften im skateboarden in dresden ausgetragen. geradezu passend dazu eröffnet am letzten tag des monats die galerie mitte eine ausstellung des westberliners klaus kossak unter dem titel „balan- ce“. gezeigt werden malerei, grafik und objekte.
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57 zwischen nahkampfstimmung und lethargie. grün- dungsfeier der dresdner sezession 89. über die cafe- teria von osmar osten im leonhardi-museum und wilde parties nicht nur im künstlerhaus loschwitz. deutsch-deutsches kulturtreffen diesmal nicht an der spree, sondern an der elbe – von wolfgang mat- theuer bis frank schöbel. „das goldene hufeisen“ ist geschichte, sich mit ihren handtaschen verprügelnde oder zahlungsun- willige gäste, die vom wirt höchstpersönlich und per fußtritt aus dem lokal befördert werden, ebenfalls. aber das kopfsteinpflaster brennt in der sonne und bierflaschen zersplittern, wo sie nichts verloren ha- ben.dieatmosphäreindresdenundgenerellderddr wird immer hitziger. „zwischen nahkampfstimmung und lethargie, zwischen weihnachten und toten- sonntag, zwischen wiederentdeckung der welt und sehnsucht nach dem mond (…). wie lange wir aller- dings in diesen extremen durchhalten können, in der stadt und im land, ist nicht nur eine frage der kraft, sondern auch des tempos, mit dem die gren- ze von beschimpfung zur handgreiflichen gewalt überschritten wird. die sax-redakteure sind schon mehrfach dem limes sehr nahe gekommen.“ das sagen die redakteure über sich selbst! friedlich geht es im dresdner zentrum für zeitge- nössische musik zu, wo die pianistin bettina otto den monat mit „modernes auf tasten für kinder“ eröffnet. pompös und bejubelt gastiert der zirkus sarrasani zum ersten mal nach 45 jahren wieder in seiner heimatstadt. einst verfügte der zirkus hier über das spektakuläre „circus-theater der 5.000“ – den damals größten und modernsten zirkusbau europas. da zirkus nicht bestandteil einer plan- wirtschaft und im sozialismus offenbar nicht erwünscht war, gar verteufelt wurde, wanderte die direktorin trude stosch-sarrasani 1948 nach südamerika aus. dort gründete sie mit dem „circo sarrasani shangri-la“ einen neuen sarrasani, den präsident perón später in den rang des argen- tinischen nationalzirkus erhob. das allerdings sollte den dresdnern „unter den obwaltenden umständen“ tunlichst „verborgen bleiben“. umso triumphaler ist dann die rückkehr gemeinsam mit dem von fritz mey 1956 in mannheim neuge- gründeten deutschen sarrasani. ernst günther erinnert sich, wie die „dresdner (…) aus dem häuschen“ gerieten: „der legendäre namen juni
58 materialisiert! zur umjubelten premiere konnte neugründer mey die tränen nicht unterdrücken.“ in der galerie gebr. lehmann läuft die ausstellung von cornelia schleime, kerbach und leiberg. an- derson ist damals ein enger freund, nicht nur von schleime, die von 1975 bis 1980 an der hfbk freie kunst mit dem schwerpunkt malerei und grafik studiert. ein jahr nach ihrem abschluss verhängt die ddr-regierung ein ausstellungsverbot für ihre kunst. schleime will jetzt unbedingt das land verlassen, das ihr die luft zum atmen raubt. sie stellt mehrere ausreiseanträge und tut alles dafür, abgeschoben zu werden. eine zähe angelegenheit, gar nicht so simpel. sie steht für die punkbands „schleim-keim“ bzw. „sau-kerle“ und „zwitschermaschine“ neben ralf kerbach am mikrofon, nimmt die platte „ddr von unten“ auf und singt über „scheiß norm“, „untergrund ist strategie“, „alles ist rot“ und „spione im café. wenn ich sowas seh, tut mir alles weh.“ die auf- nahmen für diese platte werden in kürzester zeit in einem heimstudio in hermsdorf bei dresden gemacht, und die mastertapes über die grenze nach west-berlin geschmuggelt. das plattenlabel „aggressive rockproduktionen“ bannt sie auf vinyl. es ist die erste echte punk- platte aus ostdeutschland. im vergleich zum wü- tend-aggressiven stil von „schleim-keim“ wirken heutige deutschstämmige gangsta-rapper wie sido oder bushido geradezu artig. was cornelia schleime nicht weiß: der feind hört nicht nur zu oder spitzt fies seine ohren in der kneipe, sondern spielt, singt und textet fleißig mit. nach langem kampf kann cornelia schleime 1984 endlich nach west-berlin übersiedeln. auf ominöse weise geht nach ihrer ausreise ihr gesamtes bisheriges œuvre „verloren“ und taucht nie wieder auf. worauf sich viele der ernstzunehmenden ddr- künstler gerade in den jahren des sozialismus (und wohl ebenso in allen diktaturen) aus guten gründen spezialisieren: auf die kunst des „anders- sagens“. einige künstler übernehmen die aufgabe, unangenehme und deshalb von der obrigkeit tunlichst unterdrückte (historische, soziale, gesell- schaftliche ...) wahrheiten ins licht zu rücken. dafür müssen sie aber eine bildsprache erfinden, die in einem zwangssystem unauffällig erscheint. hubertus giebe gehört hier mit sicherheit dazu.
59 allegorien, mythen, metaphern und vermeintlich neutrale motive nutzt er dafür, seine botschaften verschlüsselt zu vermitteln, um seine kritische wahrnehmung und seine gedanken zum aus- druck zu bringen. vergnügt und unbeschwert feiert gleichzeitig die dresdner sezession 89 ihre gründung – mit sehr beschränkten mitteln und unter schwierigen be- dingungen, genauer genommen „unter trock- nender wäsche und bröckelndem putz“, wie jens-uwe sommerschuh in der sz berichtet. sie machen ihre stimmung aber nicht von den äußeren bedingungen abhängig, und so wird es auch ein rauschendes fest mit abwechselnd jubelndem und klagendem akkordeon, dutzenden quirligen kindern, und einem schmerzfreien, dafür aber humorvollen auktionator. das dirndl, das er ver- steigern will, muss er „an ort und stelle vorführen“. in der sax schwärmt sommerschuh dann unter dem titel „die potenten und die anderen“ von den „künstlerischen handschriften, von denen keine die andere bedrängte, eine wogende, blühende, schäumende, leichte ausstellung“. es muss ein wunderbares, einziges fest gewesen sein, die gründungsausstellung der dresdner sezession 89 in der galerie comenius, und ihr plan geht auf. christine heitmann, eine der beteiligten künstle- rinnen freut sich aus tiefstem herzen und lacht dabei vergnügt: „ist das schön hier, wie paris. wir hatten paris hier und haben es nicht gewusst und hätten uns nicht getraut.“ „und wir haben eine menge parties gefeiert damals. wir nannten sie nur noch nicht so. wir benutzten damals tatsächlich noch den altertümlichen be- griff fete. uns kam party altertümlich vor. parties waren das, was unsere eltern feierten“, so schreibt peter richter über dresdens feierkultur aus seiner sicht als damals sechzehnjährigem. wirklich wilde parties gibt es regelmäßig im künstlerhaus lo- schwitz. betty schöner erinnert sich lebhaft daran, ebenso wie an die rappelvollen konzerte im schau- spielhaus, wenn die band „freunde der italienischen oper“ auftritt mit dem sänger r. j. k. k. hänsch alias ray van zeschau. unvergessen sind auch der weinkeller „die hundert“ und „der strand“, eine herren-wg aus den „badboys“ von dresden. wenn man seinen guten ruf möglichst zeitnah verlieren wollte, so musste man dort einfach nur
60 eine nacht verbringen. in der künstlerszene dieser zeit geht es unkontrolliert wild und anarchisch zu: dazu gehören auch die legendären, geheimnisum- witterten dampferfahrten, die ein jahr zuvor die elbe in wallung bringen und sich den gebrüdern lehmann ins gedächtnis geprägt haben. roman- tisieren möchte das nun aber keiner der beteilig- ten. frank lehmann merkt nur an: „es war nicht zauberhaft.“ gefeiert wird auch im ein paar hundert meter (ge- nau genommen 1300 meter) vom künstlerhaus loschwitz entfernten leonhardi-museum. der verrückte osmar osten, bürgerlich bodo osmar münzner wirkt mit seiner „cafeteria“ gegen die künstlerhaus-partys aber fast brav: „in einer serie von expressiven gemälden wirbelt verschiedenes mensa-zubehör über die leinwand, die ölfarbe ist dick und mit breitem pinselstrich aufgetragen. einzelne gegenstände wie gläser, schüsseln und dosen sind im durcheinander zu erkennen, und ein bildtitel unterstrich die einstellung ostens zu diesem ort der nahrungsaufnahme: cafeteria – ohne mich (1990, öl auf leinwand, 70 x 100 cm). die beiden ölbilder das schwule jahrhundert i und iii waren eher flächig gearbeitet, spielten jedoch auch mit dem formenvokabular von flaschen und gläsern.“ in den worten von angelika weißbach wird die ausstellung auch heute noch lebendig. ernst-thälmann-straße 16, 15. juni: angela hampels gemälde rühren die gemüter an in der neuen dresdner galerie. lange für ihre zeichnungen und gemälde bekannt, hat sie hier nun die gesamte ausstellung als installation konzipiert: ausgesetzte steintiere, kombiniert und in einem spannungs- feld mit sensen und figuren. ihrer meinung nach gibt es noch einen enormen nachholbedarf, was frauen und ihr selbstverständnis betrifft, denn: wie kann es sein, dass 1990 nur 10 prozent frauen im rathaus sitzen? das habe einschneidende folgen, so sagt hampel im gespräch mit ute billig: „die abnormität dieses zustandes erweist sich ja anhand der abzusehenden reaktion auf seine umkehrung.“ was frauen ihrer meinung nach immer noch davon abhalte – damals wie heute – „energischer und massiver“ in diese katastrophalen strukturen einzugreifen, sei „ihre angst und die frustration, die das zur folge hat. lächerlichmachen und diffamieren waren zu allen zeiten zwar die ge-
61 ringsten, aber sehr beliebten mittel, um politische gegner – in diesem falle gegnerinnen – mundtot zu machen. mit dem verdikt ,emanze‘ bekommen männer frauen allemal dahin, wohin sie sie haben wollen.“ einen tag vor hampel eröffnet die galerie süd die ausstellung mit grafiken, collagen und malerei von eckhard kempin. gabriele syron ist ab dem 22. juni in der adlergasse zu sehen. am 27. juni er- öffnen die gebrüder lehmann ihre schau „rhythmus des schweigens“ mit raimund girke. es ist seine erste einzelschau in dresden. ralf lehmann sagt 1990 über dessen kunst, dass sie mit vielen etiketten versehen worden wäre – dabei ginge es ihm vor allem darum, das „fundament“ der malerei zu offen- baren: „er (…) untersucht es, legt es frei, geht daran, es neu zu vermessen.“ man unterschätze girke jedoch, zitiert ralf lehmann wieland schmied in der sax, „hielte man ihn bloß für den stillen, aus- geglichenen, ganz in sich selbst ruhenden und der meditation ergebenen mann, als den seine bilder bei flüchtigem hinschauen ihn suggerieren mögen. meditative stille und innere ausgeglichenheit sind für ihn nicht der ausgangspunkt, an dem er an- setzt, sie sind für ihn viel mehr das ziel, das er anstrebt und zu dem hin er ein leben lang unter- wegs ist.“ ein teil der ausstellung wird als eine schenkung an das kupferstich-kabinett dresden gehen. christine wahl ist mit grafiken und christine heit- mann mit plastiken in der galerie kunst der zeit vertreten. am 26. juni findet das „deutsch-deutsche kulturtreffen“ nicht in berlin, sondern ausnahms- weise in der elbmetropole statt. wer trifft sich und weshalb? gastgeber ist der kulturminister herbert schirmer, um den sich eine illustre runde versammelt: von frank schöbel bis wolf bier- mann, von wolfgang mattheuer bis strawalde und dem kulturattaché der ständigen vertretung ma- tanovic. nur einer fehlt, der dabei sein müsste – ist der dresdner kulturreferent ulf göpfert nicht eingeladen?! wie bereits für claus weidensdorfer, wird es auch für eberhard göschel ein überaus erfolgreiches jahr: der neue berliner kunstverein bringt ei- nen katalog über ihn heraus und seine arbeiten sind unter anderem in der düsseldorfer galerie beethovenstraße zu sehen. später werden seine
62 werke in der gemäldegalerie neue meister/alber- tinum, in den kunstsammlungen chemnitz sowie im ludwig-forum für internationale kunst in aachen und in kalkutta (birla-academy) ausgestellt. wie bereits in den vorjahren, so werden auch 1990 alle für die im umkreis der gebrüder lehmann wir- kenden künstler wichtigen entscheidungen an de- ren küchentisch getroffen. hier sitzen frank und ralf lehmann mit ihren künstlern zusammen, dis- kutieren. es werden nächte durchzecht und pläne für neue aktionen und ausstellungen geschmie- det. die treffen am küchentisch sind „im zeital- ter der drahtlosen nicht-kommunikation“ abso- lut vital, so betty schöner: schließlich hat kaum einer ein eigenes telefon! wenn man reden will, musste man hinfahren und schauen, ob jemand da ist, und wenn nicht, endet der kommunikations- versuch nicht mit einer spröden sms oder whats- app-nachricht, sondern sehr oft mit einem in die tür gesteckten, handgeschriebenen zettel. bei den lehmann-brüdern lohnt sich die fahrt aber meistens, so schöner, weil immer jemand da ist. die einrichtung ist sehr spartanisch. es gibt eigentlich keine möbel, außer in der küche den tisch, stühle und einen kühlschrank. es ist ja auch ein wohn- projekt. überhaupt treffen sich die künstler meistens zuhause, in ihren eigenen wohnungen. oder sie laufen draußen stundenlang herum, reden, machen quatsch. eine kaffeehauskultur, wie es die impres- sionisten und die existenzialisten in frankreich mit ihrem „les deux magots“ oder dem „café le flore“ lebten, ist für die dresdner künstler völlig unge- wohnt und ein absolutes novum. betty schöner kann sich beim besten willen nicht vorstellen, wie das funktionieren soll: in der öffentlichkeit kann man doch nicht laut und offen reden, schließlich weiß man nie, wer mithört! wanzen und spitzel sieht und erkennt man nicht, aber sein können sie überall. es überrascht nicht, dass die wichtigsten künst- lerischen bewegungen aus einem verständnis von freundschaft, vertrauen und zusammenhalt entstehen – auch aus protest gegen ein repressi- ves system. der psychoanalytiker hans-joachim maaz ist seit 1980 chefarzt der psychotherapeuti- schen klinik im evangelischen diakoniewerk halle. durch viele vorträge und diskussionsbeiträge in
63 zeitungen, radio und fernsehen gewinnt er bald überregionale bedeutung. in seinem buch „der gefühlsstau“ entwirft er 1990 ein psychogramm der ddr. er schreibt: „die freundschaftlichen und liebenden beziehungen waren in der kälte und dem schweigen, in der verlogenheit und angst die basis für das überleben.“
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65 frisches geld. die hfbk-professoren und -dozenten bei döbele in stuttgart. hubertus giebe illustriert „die blechtrommel“.kunstundgastronomieimraskolnikoff. johannes heisig malt seine salomé. gründung der brn. der monat beginnt mit einem paukenschlag: der währungsunion. neues geld bedeutet aber nicht immer neues glück und so sieht das kultur- journal reiterin die einführung der d-mark ge- wohnt kritisch und versieht die währungsunion mit einem ganz großen, fetten aber. vor allem nimmt das journal die darauf projizierten zahl- reichen wunschvorstellungen aufs korn: „der 2. juli ist die zauberformel dieser tage. dann endlich werden alle kinder- und hausmärchen wahr, der d-mark spuckende goldesel trabt ins land, und das verwaiste tischlein ddr deckt sich markt- wirtschaftlich.“ die redaktion von reiterin pocht immer wieder auf das selbstbestimmungsrecht der ddr-bürger und befürchtet die vollständige übernahme – die vorbehaltlose begeisterung für alles, was aus dem westen kommt, soll ein wenig gebremst und kritisch hinterfragt werden. neues geld, neues glück? sieben tage darauf je- den-falls noch ein paukenschlag: am 8. juli wird deutschland in rom fußballweltmeister! die welt steht kopfball. durch andreas brehmes foul- elfmeter in der 85. minute verliert argentinien mit 1:0. während also die mark von der d-mark und die ddr-produkte von westprodukten abgelöst werden, gelangen umgekehrt künstler durch eine große ausstellung der galerie döbele nach stuttgart. ab dem 5. juli sind professoren, dozenten und assistenten der hfbk wie hubertus giebe, werner liebmann, ursula rzodeczko, hernando léon, und elke hopfe dort zu sehen. begleitet wird die ausstellung von einem opulenten und aufwändig gearbeiteten katalog. gerade bei hubertus giebe ist es beeindru- ckend zu sehen, wie umtriebig und erfolgreich er in diesem jahr ist. neben den bereits erwähnten über zwanzig ausstellungen erscheint die erste auf- lage der von ihm mit 40 radierungen illustrierten „blechtrommel“ von günter grass als bibliophile ausgabe im verlag volk und welt. in den jahren zuvor hat er jede menge kunstpreise abgeräumt, u. a. 1983 den 1. preis beim wettbewerb junger künstler der ddr und der udssr in moskau sowie juli
66 den hauptpreis der triennale realistischer malerei in sofia 1985. danach sah es nicht aus, als er 1976 sein malereistudium im 5. semester abbricht – und doch gleichzeitig vom verband bildender künstler als freiberuflicher maler zugelassen wird. „dort, wo einst kokoschka und dix wirkten, war unter den pressionen der stalinistischen kunstdoktrin ein konservativer, am 19. jahrhundert orientierter akademismus entstanden, dessen ischämie und enge giebes intentionen zuwiderliefen (…)“. henry schumann lässt in giebes katalog zur 44. biennale in venedig 1990 seinen gedanken freien lauf. das diplom holt giebe 1978 später an der hgb leipzig als externer nach, studiert anschließend als meister- schüler von bernhard heisig bis 1979 weiter, schiebt ein praktisches jahr beim veb denkmal- pflege ein und schließt später sein studium an der hfbk bei jutta damme ab. der spagat zwischen anpassung und künstlerischer freiheit scheint ihm zu gelingen, und so sieht der 1961 in neindorf geborene viel von der welt. er besucht nicht nur die brd und die schweiz, sondern reist auch nach paris, lyon und arles, nach norwegen, indien und sogar bis nach japan. so viele biographien, so viele verschiedene schaffensprozesse und künstlerische selbstver- ständnisse kreuzen sich in dieser ausstellung in stuttgart. was sie vereint, ist die lehrtätigkeit an der dresdner kunsthochschule. ebenfalls zu sehen ist werner liebmann, 1983–1986 ein meisterschüler von bernhard heisig. seit 1986 ist er assistent im grundstudium an der hfbk. „dem chaos das formbare abzugewinnen bedeutet für liebmann zunächst, der lust am chaotischen nachzugeben und sich der notwendigkeit einer ordnung der dominanten zu widersetzen. erst in der gleich- zeitigkeit von mythischer begegnung und komi- scher anekdote, im nebeneinander von ernst und lächerlichkeit wird das authentische gesichert“, so alexander haeder im begleitkatalog. der über peru aus chile emigrierte hernando león wiederum sagt über seine kunst: „ein bild, eine zeichnung ist nicht etwas, was ich mache, damit sie es als schmuck aufhängen. wenn das passiert, so ist es nicht meine schuld. eine zeichnung ist ein vollkommenes geständnis, eine versachlichung des subjektiven, eine botschaft der überzeugung, der kenntnisse und des gefühls. ich zeichne nicht, weil das motiv schön ist, sondern weil es etwas gibt, was nicht mehr in mir bleiben will.“ león kommt 1974 in die ddr und nimmt eine lehrtätigkeit an der hfbk dresden als dozent in der abteilung
67 architekturbezogene kunst und im fachbereich szenografie auf. ebenfalls bei döbele ist die malerin und gra- fikerin ursula rzodeczko, über die gerhard kettner sagt: „man könnte meinen, sie käme aus dem murnauer kreis um gabriele münter. aber es ist wohl eher ihre schlesisch-polnische heimat, die da mitschwingt, denn schon die frühen arbeiten zeigen, wohin sie nicht wollte. sie färbte nie form, sondern formte aus farbe.“ seit 1957 schon lehrt sie an der hfbk in der kunsterziehung und an der abendakademie, nimmt 1979 aber ihr meister- schülerstudium bei kettner auf; 1983 erhält sie eine dozentur für malerei. ihre bilder reisen um den globus, von basel über helsinki, göttingen und leningrad bis nach japan. von unbändiger lebensfreude sprühen ihre farbmächtigen und in groben, kräftigen pinselstrichen gemalten bilder. die westberliner galerie nierendorf zeigt otto mueller und jens-uwe sommerschuh berichtet darüber in der sax: „ausstellung. rechtzeitig vor 60jahren“.zum60. todestagdesdresdnerkünstlers. wo betty schöner gerne tanzen und feiern geht, in der scheune, wird jetzt die ausstellung „neues teuschland“ mit fotos, grafiken und montagen von bogomil j. helm eröffnet. die scheune wird am 7. juli gründungsmitglied des vereins „kulturstadt dresden e. v.“. ziel des ver- eins ist es vor allem, die äußerst lebendige stadt- teil- und soziokultur in der neustadt zu fördern und zu bewahren. zu den gründern zählen die protagonisten der szene: das projekttheater, die provisorische regierung der brn, der coffeeshop bronxx, die kneipe planwirtschaft, das galeriecafé tivoli und andere. das kunsthaus raskolnikow e. v. ist nicht dabei, weil es gerade erst entsteht: „mit seiner einrichtung aus alten baugerüsten und schrott, überresten aus dem sowjetischen armee-fundus, mit kreativität, handwerklichem können und dem meeressand aus weiter ferne auf dem boden entstand in kurzer zeit das viel- leicht originellste künstler-café in der neustadt. zur namensfindung trug schließlich entscheidend harriet böges und viola schöpes lektüre von schuld und sühne bei.“
68 zum plan der gründer gehört, dass mit den gewinnen aus der gastronomie kunstprojekte finanziert werden sollen. am anfang läuft natür- lich noch nicht alles so glatt, wie ein unzufriedener aus dem westen bemängelt. es ist der jüngst im liebeswahn aus bonn eingewanderte gerd lau- benthal. als neuzugezogener verfasst er eine mild angehauchte kritik, wobei sie wohl auf die meisten damaligen kneipen in der neustadt zutrifft: „die ausgewählte getränkekarte lässt die magere küche (platzmangel) und die lahme bedienung (neu- stadtstandard) vergessen. durch einen schmalen flur kommt man in den innenhof. das ist ein treff- punkt für ruhige gespräche, zum kennenlernen, kein durchgangslager, um zu sehen, wer da ist.“ das raskolnikoff sind drei leute: der handwerker tom, der eine töpferwerkstatt plant, die malerin harriet, und viola, die von sich gesteht: „ich malʼ auch, nun isses raus.“ geplant ist auch, dass die kneipe nur neben- her läuft, der schwerpunkt aber musikveranstal- tungen und filmvorführungen im hof sein werden. es geht ihnen um den gedanken, ein gesamt- kunstwerk zu schaffen, auch als lebensentwurf – zu „leben und arbeiten in einem.“ aus dieser idee soll auch die einrichtung einen einklang ergeben. „darum ist alles von uns, die bilder, die objekte, alles.“ die tischgestelle stellen sie aus teilen eines baukranes, der im hof rumliegt, selbst her. nach körperlicher schwerstarbeit und amtsrennereien eröffnet das raskolnikoff am 21. juli 1990 – nach- dem sie alles geschafft haben, „ganz seriös, mit genehmigungen, mietvertrag und hygiene“. der meeressand macht einen besuch im raskolnikoff immer zu einem kleinen urlaub im alltag. ebenfalls richtig exotisch wird es mit mexi- kanischer grafik in der galerie rähnitzgasse. die galerie west indessen zeigt ingo kraft mit grafik und zeichnung. eine wichtige figur im dresden von 1990 ist der aus einer künstlerfamilie stammende johannes heisig. der sohn von bernhard heisig – auch sein großvater walter heisig war schon maler und grafiker – wächst in leipzig auf und studiert von 1973 bis 1977 an der hgb leipzig. parallel dazu arbeitet er im atelier seines vaters. von 1980 bis 1991 lehrt er an der hfbk, seit 1988 als inhaber des lehrstuhls für malerei und grafik. von 1989
69 bis ende 1990 ist er der rektor der hochschule und schafft freiräume für die kunststudenten, wo immer es geht. 1990 gehört er zu den mitgründern des neuen sächsischen kunstvereins und 1992 des fördervereins für die europäische werkstatt für kunst und kultur hellerau e. v. er malt seine salomé. eine fast die hälfte des bildraumes einnehmende frau, breite hüften, tiefes dekolleté, schmaler hals. zwischen ihren beinen ruht der abgetrennte kopf johannes’ des täufers. obgleich es sich zweifelsohne um figürliche malerei handelt, sind doch nur wenige details zu erkennen. die konturen verschwimmen, vieles bleibt abstrakt und der fantasie des betrachters überlassen. und als würde ihr die gräueltat schon leid tun, ist salomés mund leidklagend weit ge- öffnet, ihr kopf jedoch soweit zurückgelehnt und durch eine weiße malwolke überdeckt, dass von den augen, der nase und dem haaransatz nichts weiter zu erkennen ist. die qualität und den sinn von kunst betrachtet johannes heisig unter ei- nem stark emotionalen gesichtspunkt, hebt aber auch einen gewissen entertainment-faktor her- vor. kunst soll unterhalten: „wenn da kein genuss aufkommen kann (und auch den horror kann man ja erst dann genießen, wenn es einen wirklich gruselt), bleibt es im guten bemühen stecken. traurige erfahrung. ich jage hinter dem bild her, das die frage nach dem wie und wer schlicht ver- schwinden lässt“, so heisig im ausstellungskatalog der galerie döbele. am 23./24. juli feiern die dresdner die gründung der „bunten republik neustadt“ mit gregor kunz als ihrem 1. könig. aus der regierungserklärung: „die brn auf dem territorium der dresdner äu- ßeren neustadt ist einer der kleinsten staaten der welt, aber an lebendigkeit und phantasie reich und zur weltspitze zu zählen.“ die regierungser- klärung endet mit folgenden sätzen: „die ordentliche prov. regierung erklärt, dass sie eine reihe von er- scheinungen des sogenannten modernen lebens für ziemlich ekelhaft hält. darunter fallen u. a. steigende mieten, gewalt – besonders die gegen menschen, intoleranz, humorlosigkeit, schlech- tes wetter, sperrstunden, reklame, ausbeutung und unterdrückung, militär, zu frühes aufstehen, etc. pp. wir bedauern, dass dergleichen nicht von heut auf morgen aus der welt zu schaffen
70 ist.“ wie es sich für einen richtigen staat gehört, werden zwischen 2005 bis 2010 sogar volks- aufstände in form von krawallen beobachtet, dennoch hat sich die regierung der brn in ihrer einmaligkeit bis heute erfolgreich behauptet. dem legendären ausflug nach krefeld folgt jetzt eine gruppenreise nach thun in der schweiz, wo die gesättigten gemüter aufgerüttelt werden sollen. geduldig lächelnd ertragen die schweizer die wilde performance fünf bekannter dresdner im kulturbahnhof zur eröffnung der ausstel- lung „dresdner art“: peter bauer, volker lenkeit, richard mansfeld, jörg sonntag und klaus werner haben sich aufgemacht, die eidgenossen im sturm zu erobern. sturm im wortsinne: „mit tiefem, stark rhythmischem gesang erfüllt die stimme von k. werner den raum, immer lauter, aggressiver werdend. peter bauer wälzt sich in einem soldaten- mantel hinein, unter dem sich ein hirschgeweih verbirgt; eine schwere kabelrolle mitwälzend. der raum ist dunkel. lichtbilder mit zivilverteidigungs- anweisungen werden unter die decke projiziert; es wirkt bedrohlich,“ schreibt redakteur golly für reiterin. für die schweizer muss die herkunft der künstler aus der ddr noch exotischer gewesen sein als für brd-bürger. als wären sie direkt einer fremden, weit entfernten welt entstiegen. gleich- zeitig spiegelt die performance ganz offensichtlich die faszination der ddr-künstler an den schwei- zerischen „sitten und gebräuchen“ wider: so ist es für jeden schweizer selbstverständlich, dass ihm mit der wohnung nicht etwa eine autogarage, sondern ein luftschutzkeller zugeordnet wird. im notfall, zum beispiel bei einem atomschlag, soll er sich dort bitte rechtzeitig einfinden, weil die ver- sicherung sonst keine haftung übernimmt. wenn dann richard mansfeld nackt und von volker len- keit schwarz angemalt die zuschauer auf die stra- ße lockt, um dort einen „satanstanz“ aufzuführen und „abstoßend tierisch“ auf die straße zu … pin- keln (!), gleicht das die irritation jedoch wohl mehr als aus. der zustand der gesellschaft lässt sich auch aus ein paar durchaus überraschend aufschlussreichen kleinanzeigen im dresdner journal sax ablesen: „der nächste winter kommt bestimmt! ich kehre ihren ofen schon jetzt.“ oder: „größerer posten nachttöpfe abzugeben. kleiner produktionsfehler:
71 henkel innen. veb nachtgeschirr (...)“. und besonders spannend: „wessi-stop! war bei ihnen auch schon ein herr müller aus essen und behauptete, ihre datsche sei eigentlich seine? wessi-stop hilft zuverlässig. keine hässlichen spuren oder flecken! fckw-frei!“ über acht tage trägt die kunsthochschule den „westöstlichen-architekten-workshop zum gesamt- kunstwerk dresden“ aus. architekten und stu- denten sollen sich in ruhe austauschen und brainstormen. die dresdner bank und die jürgen ponto-stiftung sponsern das ganze, so berichtet theilmann in der sax: „gesamtkunstwerk? brau- chen wir nicht seit gestern wohnungen, gewerbe- räume, billiganbieter für seife und selters, hotels, artgemäße straßen und banken? was hat das mit gesamtkunstwerk zu tun? nichts und alles, dresden steht zur disposition.“
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73 wohnungsnot. ausverkauf der neustadt und „ver- kaufsausstellung“ in der galerie comenius. gruppe meier: ausgemeiert. sommerloch. betty schöner ist 19 jahre alt, als sie be- schließt, zum lernen nach münchen zu ziehen. und ist gerade einmal 20, als sie von der sammlung hofmann in berlin den auftrag bekommt, die dresdner neustadt zu dokumentieren. dafür ver- wendet sie ihre kamera marke eigenbau, ein roll- film im mittelformat 6 x 9 cm. für die ausstellungs- eröffnungen, die sie 1990 ebenfalls fotografisch festhält, nimmt sie jeweils ihre praktika, die klein- bildkamera von pentacon. ihr eigenes leben ist ein paradebeispiel, wie die gesellschaftlichen repressionen der ddr ihr leben erschweren. als aktive in der evangelischen kirche und nicht in der fdj hat man sie nicht zum abitur und studium zugelassen. als „klassenfeind“ darf sie noch nicht einmal eine lehre antreten. dann macht sie in den augen des real existierenden sozialismus alles noch schlimmer und wird punk. punk! sie darf als lagerarbeiterin oder im schlacht- hof schuften und zum veb polstermöbel zur „er- wachsenenqualifizierung“. sie ist die richtige für diesen auftrag; als kind hat sie sich mehr bei ihrem vater in der dunkelkammer aufgehalten als auf dem spielplatz. das fotografen‑gen muss sie geerbt haben. ihre großmutter war technische fotografin und der urgroßvater grafiker. „ich bin im labor und der dunkelkammer groß geworden. das hat mir gefehlt. nach drei jahren polsterei habe ich sofort gekündigt und mich von meinem vater in seiner werkstatt anstellen lassen. dort habe ich viel gelernt.“ nach der wende geht sie schnurstracks als assistentin zu einem fotografen nach münchen, und da die lebenshaltungskosten dort deutlich höher sind als ihr verdienst, wird es eine prekäre zeit. seit1978gibtesdievonralfwinkleraliasa. r.penck, peter herrmann, jochen lorenz, bernhard theil- mann, der jetzt für die sax schreibt, und eberhard göschel gegründete obergrabenpresse. fünf ra- dierungen von göschel aus dem gründungsjahr, vier davon als aquatinta, haben es über den großen teich nach new york ins dortige moma geschafft. bis zur wende der künstlerische alltag: alles ist schwer zu haben. papiermangel, schwierig aufzu- treibende druckerschwärze folgen auf den erwerb august
74 dieser druckpresse – und trotzdem zahlreiche editionen. es folgt eine lange und produktive zeit. die obergrabenpresse wird es bis 2008 geben. viele ausgaben erwerben sammler und in- stitutionen, wie es busch in seinem aufsatz „gegendruck in zwei systemen“ darstellt. eine wichtige rolle spielt hier werner schmidt, der als direktor des dresdner kupferstich-kabinetts schon zu ddr-zeiten regelmäßig ankauft. wer einen tiefergehenden blick auf die kunstszene der ddr wirft, dem fallen die unterschiede zwi- schen den einzelnen gruppen und milieus auf. künstler, die sich an die staatlichen normen hal- ten, sich in ihren aussagen und arbeiten dem staatsapparat anpassen oder sogar die „staats- sozialistische kunstdoktrin“ lautstark unterstützen, werden mit privilegien belohnt und können ein komfortables leben führen. nonkonforme künstler dagegen, die sich gegen den staat auflehnen und sich an dessen bevorzugter ausdrucksform des sozialistischen realismus desinteressiert bis ab- lehnend zeigen, bekommen probleme – ständig. die akteure der obergrabenpresse und auch der kreis um das leonhardi-museum gehören laut henrik busch in den 1970er und 1980er jahren eindeutig zur zweiten gruppe. ab anfang august bespielt tobias stengel den großen saal des leonhardi-museums mit seinen objekten. stengel hat von 1981 bis 1986 plastik an der hfbk studiert und arbeitet bereits mit seinen beiden kommilitonen matthias jackisch und christian späte zusammen. 1987 gründen die drei bildhauer die gruppe meier und seitdem jagt ein projekt das nächste. meistens arbeiten sie dabei im öffentlichen raum. mit ihren installationen und aktionen wollen sie, so schreibt christoph tannert ein jahr zuvor, „ideen-zeichen für eine wiedergeburt des gedankens vom ager publicus“ setzen. jetzt im leonhardi-museum ist es für stengel die erste einzelausstellung und er zittert ein bisschen vor aufregung. der journalist gunter ziller schreibt in der union, dass „stengels eigenes künstlerisches werk (…) sich von der figurativen formenwelt über ,wild-zerklüftete post-figurative holzskulpturen‛ zur räumlichen inszenierung ent- wickelt hat“. seine plastiken schaffe stengel aus „strukturgebilden“, die er in der natur und technik vorfinde, „wurzelgeflechte, hartholzpflaster oder
75 bordwände von eisenbahnwaggons“. das ist sein ausgangsmaterial, mit dem er kreativ werden kann. zweifelt er an der „objektivität der welt“, wie ziller titelt? drei große arbeiten aus holzpflaster und stahl dominieren den saal komplett: zwei „beweg- bare platten auf gestell“ und eine bodenplastik, welche die form eines umgekippten brücken- bogens hat. abgerundet wird die schau von drei zeichnungen, mehreren kleineren objekte aus sandstein, gefaltetem stahl sowie auf presspappe gemalten farbstrukturen. seine arbeiten versteht er als „ausschnitte einer sich insgesamt ergebenden struktur. kreisläufe entwickeln sich aus der fläche und spiegeln auf sie zurück, beschreiten den weg zum nächsten und versuchen, unendlichkeit im dimensionssprung von körper und raum zu fläche und linie und deren umkehr einzufangen,“ wie er im begleitkatalog zur ausstellung schreibt. mit großen aktionen ist die gruppe meier in dresdenschonaufgetreten:„heuerhatsich’soffen- bar ausgemeiert, wie mir tobias stengel neulich im mondschatten der gerade verschlossenen villa marie seltsam feixend andeutete.“ so karl- heinz schmidt in der sax unter der überschrift „wer meier nicht ehrt … … ist den stengel nicht wert?“ matthias jackisch schreibt stengel „mit der kompetenz jahrelanger nähe“ einen brief: „lieber tobias, … die zahlen deiner geometrie gehen für mein gefühl nicht auf in den anerkannten syste- men ... es scheint mir als ob du ,irrtümer‘ einlässt ins denken. könnte es sein, dass dich jede störung im prozess mehr freut als erschreckt?‘ jedenfalls ist stengels spiel, nach welchen regeln auch immer, noch lange nicht zu ende.“ wenn es sich auch „aus- gemeiert“ hat – „ausgestengelt“ hat es sich noch lange nicht. und so wird er auch noch 2006 mit der skulptur die woge als hommage an hokusai im dresdner stadtbild wirken. die eine gruppe löst sich auf, die andere gewinnt an kraft. die künstlerinnen der dresdner sezession 89 stellen die „verkaufsausstellung“ in der galerie comenius auf die beine, mit heidemarie dreßel, annerose schulze, gerhild freese, gabriele putz, armgard stenzel und monika winkler. kraft gewinnt ganz dresden in diesem und den fol- gejahren auch durch die städtepartnerschaft mit hamburg. die hansestadt finanziert an die fünf-
76 zig projekte in sachsen, durch die die lebens- und arbeitsbedingungen der menschen verbessert so- wie die stadtentwicklung vorangetrieben werden sollen. der hamburger stadtrat a. d. helmut bilstein ist als beauftragter des senats der freien und hansestadt hamburg in dresden und sachsen maßgeblicher und unermüdlicher motor dieser unterstützung. die wohnlage ist extrem angespannt, und nicht nur junge alleinerziehende und künstlerfamilien, auch rentner und studenten leben oft unter über- durchschnittlich suboptimalen bedingungen. zahl- reiche fotografien dokumentieren die triste wohn- situation,diekaputten,oftbisandieäußerstegren- ze des zusammensturzes heruntergewirtschafte- ten gebäude. von pioniergewächsen werden sie langsam, aber unerbittlich in besitz genommen. die dächer setzen moos an und in vielen dach- rinnen gedeihen mauerraute, tüpfelfarn, gräser und birken. „im ganzen viertel faulen die balken, bröckelt das gemäuer und regnet es durch. gleich nach der öffnung der mauer kamen die kamera- teams hierher, um aufnahmen zu machen von den (…) gähnenden fensterhöhlen, den ruinen in den hinterhöfen,“ schreiben grolle und wellershoff in die zeit. die meisten wohnhäuser warten schon seit dem krieg auf die renovierung. sie schreien nach modernisierung! 30.000 dresdner suchen akut eine passende wohnung, doch niemand hat einen „genauen überblick über den bestand“, so kristov hogel. und er fügt hinzu: „die hälfte der altbauten ist baufällig, jedes fünfte alte haus ab- rissreif.“ 20.000 wohnungen stehen leer. „sozialer sprengstoff sammelt sich da an (…).“ was 25 jahre später kaum mehr vorstellbar ist: nur in den wenigsten altbauten treffen wir auf ein bad und fernwärme ist ein fremdwort. geheizt wird mit steinkohle und braunkohle- briketts, die stufe für stufe in metallkübeln aus dem keller hochgetragen werden. wir gratulieren den dachgeschossbewohnern zu ihrem sportlichen körperbau! diese ausgeprägten oberarmmuskeln! die neubauten sind deutlich komfortabler, ihre decken aber erdrückend niedrig, die räume oft eng und klein. ihre uniformität ist in zement ge- gossene tristesse, uninspirierte langweiligkeit. das kulturjournal reiterin geht sogar soweit zu behaupten, dass ihre bauweise der kommunikation
77 zwischen den bewohnern im wege steht. und auch ihre hellhörigkeit ist gewöhnungsbedürftig. und wieder zieht es eine gruppe dresdner in den westen. veit hoffmann, anton paul kammerer, petra kasten und andreas küchler packen ihre arbeiten auf papier ein und präsentieren sie stolz in der düsseldorfer galerie beethovenstraße. die reise scheint im vergleich zum „krefelder horror- trip“ erfolgreich abzulaufen. jedenfalls ist nichts gegenteiliges bekannt. während die vier künstler im westen ihr glück versuchen, sieht es für manch anderen so aus, als würden nimmersatte „wessis“ die ganze neustadt aufkaufen. alles geht drunter und drüber. die sax berichtet von einem fotografen, der in der hecht- straße „auf tour“ ist. beschaulich knipsend geht er seinen weg. auf einmal bremst „ein mercedes mit westnummer (…) neben ihm, das fenster surrt runter: ,du fotografierst wohl die häuser, die du kaufen willst?‘ ‚nein, wieso?‘ ‚ich hab gerade zwei gekauft.‘ das fenster surrt hoch. abfahrt.“ was als euphorisierende befreiung angefangen hat, scheint nun in einen bösartigen ausverkauf umzuschwenken. auch der kultur geht es nicht besser, im gegenteil, sie siecht „so ziemlich“ dahin. „orchester werden aufgelöst und wieder zusam- mendirigiert“. das fehlende geld hängt auch direkt mit der währungsunion zusammen, wie steffen rinka, mit michael von oppen leiter des projekt- theaters darstellt: „am 1. juli war erst einmal total schluss. (…). da standen auf der bühne mehr leute als im publikum.“ abgesehen davon , dass es auch ihnen schwer fällt, ihre räume in der louisen- straße legal zu mieten, ist ihr projekt eine erfolgs- geschichte, in einer zeit, in der ganze ladenketten ins wanken geraten. konsum und ho scheinen von ihren managern geradezu in den ruin getrieben zu werden – nur der konsum überlebt. jetzt aber sieht es auch hier übel aus, 1992 sogar eine insolvenz. um das ärgste kulturelle leid abzumildern, kündigt die bundesministerin für innerdeutsche bezie- hungen, dorothee wilms, einen bundeszuschuss von 6,2 millionen dm an. mit dem geld sollen ge- fährdete kulturgüter gesichert werden. so erhält
78 unter anderem das stadtmuseum 200.000 dm, um die sicherungsanlagen zu erneuern. das icom-komitee für restaurierung und kon- servierung richtet seine 9. dreijahreskonferenz in dresden aus. 600 fachleute nehmen daran teil. das albertinum präsentiert dazu restaurierte arte- fakte aus den dresdner kunstsammlungen. auf sportlicher ebene gibt es diesen monat eine premiere und gleich zwei finissagen: die 41. und letzten ddr-meisterschaften der leichtathleten werden im heinz-steyer-stadion ausgetragen. außerdem spielen der dfb-pokalsieger 1. fc kaiserslautern und der fdgb-pokalsieger 1. fc dynamo dresden am 22. august zum ersten und zugleich letzten mal um den holsten deutsch- land-cup. kaiserslautern siegt mit 5:3.
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81 günther hornig im leonhardi-museum. von mans- feld und michelangelo. von bronxx, sixtina und einer fixer-hochburg. farbe bis um fußweg. richtig pro- portioniertes gerassel. beckmann geht fremd. die moutonierte kunstfabrik. zwölf jahre sind seit seiner einzelausstellung im leonhardi-museum vergangen. jetzt kehrt günther hornig in den sanierten saal der galerie zurück, um aktuelle gemälde und objekte auszu- stellen. fleißig ist er gewesen in den letzten zwei jahren, und so zeigt der dozent für bühnenbild und spätere professor für freie kunst an der hfbk dresden im leonhardi-museum seine zwölfteilige serie o.t. (1989). diese besteht aus der innovati- ven materialkombi latex auf leinen und ergibt „komplexe, vielschichtige geometrische struktur- systeme, die sich überlagern, aneinander grenzen, ineinander übergehen, bisweilen auch eine räum- liche tiefe erzeigen“, wie andreas hünecke im ma- gazin bildende kunst meint. die kräftigen farben sorgen für eine starke emotionale wirkung der arbeiten. die dresdner neuesten nachrichten entstehen aus der vereinigung der sächsische neuesten nachrichten und dem sächsischen tageblatt. die dresdner morgenpost sponsert das 7. drehorgel- fest mit ca. 60 teilnehmern vor dem kulturpalast. kompetente führung bekommt das stadtmuseum mit dem dresden-kenner matthias („matz“) griebel, welcher der neue direktor wird. währenddessen kündigt der leiter des kreuzchores kantor martin flämig seinen rücktritt für dezember an, ohne dass bis dahin ein neuer geeigneter kandidat ge- funden worden wäre. musikalisch überzeugen kann udo lindenberg, der in der jungen garde scharen in helle begeisterung versetzt. händeringend sucht die neu gegründete freie waldorfschule nach personal. sie nimmt den unterricht zunächst als gast in der 54. oberschule auf. dazu passend findet der weltkindertag auf initiative des kinderschutzbundes der brd und sachsens zum ersten mal in dresden statt. das kinderfest im freizeitpalast der schüler wird zum höhepunkt der veranstaltung. september
82 zitat aus der sax von september 1990: „es war einmal eine erdgeschosswohnung in der alaun- straße 64, so runtergekommen und desolat, dass niemand mehr darin wohnen wollte. so wurde sie 1984 ein bandprobenraum – bis das marode haus zusammenfällt ... nichts da mit abbruch, am 15. dezember 1989 feierten die räume als ‚bronxx‘ lebhafte auferstehung.“ der kneipenchef sören „egon“ naumann träumt jetzt davon, den laden zu kaufen. aber für den preis stehen, wie er sagt, „riesensummen“ im raum, „allein für grund und boden, hunderttausende für‘s sanieren – da musst du hier einen laden reinbauen, der unser publikum mit seinem vergleichsweise schmalen geldbeutel vertreibt“. der tausendsassa nau- mann, der zwar noch einen kredit für den erwerb modernster tontechnik beschaffen konnte, obwohl nicht klar ist, ob er ihn je zurückgezahlt hat (der kreditgeber ist von der bildfläche verschwunden), kennt das risiko. kaufen fällt also aus. das hindert neumann aber nicht, richard mansfeld die aufgabe zu über- tragen, das gesamte café auszumalen. mansfeld ergeht es besser als michelangelo, denn ihm gehen acht fleißige helfer zur hand – die farbe reicht bis auf den fußweg. und auf einmal wird der redakteur in seinem sax-artikel leidenschaftlich: „nichts da mit ‚normal schön‛, das beliebig wird. silbergraue teekisten zum sitzen, die wände und fußböden in kräftigen farben, wechselnde aus- stellungen, papierschnipsel an der fensterhöhlung verspotten die gardinenkultur, action painting als baugebundene kunst.“ immer wieder wird der coffeeshop jedoch auf die probe seiner „härteverträglichkeit“ ge- stellt. im juli taucht ein selbsternannter drogen- fahnder in der bronxx auf, der sich als scharlatan erweist. dennoch titelt ein blatt reißerisch „fi- xer-hochburg dresden?“: die „neue revue“ aus hamburg setzt noch eins oben drauf: zwar ver- liert sie das zweite x der bronxx aus den augen, dafür entdeckt sie einen – nie existenten – „kellner martin“, der ganz unverkrampft vom „normalen joint durchziehen“ plaudert. immerhin: in den räumen der bronxx gründet sich der verein kulturstadt dresden e. v. ziel des vereins ist die „selbsthilfe in und für den stadtteil“. aus der sax: „keiner will, wie gehabt, um zehn die bürgersteige hochklappen. also müssen wir mitei- nander reden, wie sie unten bleiben können, ohne dass jemand mit den füßen drunter kommt.“ für den 3. september lädt der verein in die scheune
83 ein. oberbürgermeister und kulturdezernent, an- wohner und polizei tanzen guten mutes an. seltsames geschieht am 15. september. ein hauch von südamerika in ostdeutschland, in der galerie comenius, natürlich nur in der kunst: „ein paar schwarze gehen den lehmweg entlang, mit körben auf den köpfen, hüften wiegend und quasselnd, die palmblätter wippen in überdimensionaler höhe über den köpfen. die schwarzen mit den bunten kleidern sind wie dunkle karamellzucker und haribo lakritz ...“ ein bildtitel von hella santa- rossa: haribo lakritz. auch der text ist von ihr. es ist eine impression, eine textskizze aus brasilien. dort lebt sie von 1983 bis 1985 und beschäftigt sich mit der brasilianischen götterwelt, die ebenso reich an figuren und sagen ist wie die der griechen und römer. goldener reiter, einen tag später: nach den halb- offiziellen skateboard-meisterschaften der ddr im mai wird nun die skate union dresden e. v. gegründet. der erhalt der moutonierfabrik auf der großenhainer straße als technisches denkmal wäre zu teuer gewesen. in der dritten generation richtet rené mouton pragmatisch einen getränkehandel in dem gebäude ein. vom 15. bis zum 30. september aber wird die fabrik zum ort für eine ungewöhnliche kunstaktion: der moutonierten kunstfabrik. es ist, so daniel h. wild in reiterin, „der versuch einer huldigung an die vergangene moutonierungsfa- brik“ durch eine gemeinschaftsausstellung von matthias jackisch und alekos hofstetter. hofstetter zieht 1989 von bonn nach dresden, und gründet die künstlergruppe „bewegung nurr“ mit wild und christian streuer. hofstetter macht sich in dresden unter anderem durch eine größere serie von leicht dahin gesprühten graffiti, die er foto- grafisch dokumentiert, einen namen. nach der schließung der fabrik, in der schrau- ben und rohre im teils geheimgehaltenen verfah- ren der moutonierung lackiert wurden, wachsen sträucher und büsche in das schlafende gebäude. so berichtet daniel h. wild in reiterin weiter: „im gebälk entdeckt man ein vogelnest und wespen schwirren um die süßlich-klebende moutonie- rungsmasse. dazwischen wesen aus stein, draht und papier. insektenartig entpuppen sich die plas-
84 tiken von matthias jackisch in den räumen der fabrik, sie wachsen aus sich selbst, aus dem kokon der moutonierung.“ verkauft werden die plastiken in einem attraktiven preis-leistungsverhältnis von 10 mark. und nach einer stunde haben alle schon einen käufer gefunden, so daniel h. wild. es ist ein gemeinschaftsprojekt der galerie gebr. leh- mann, egon naumann, hans martin jahn (café 100), götz schlötke und daniel h. wild. theilmann rezensiert die ausstellung in der sax: „die grafiken zeichenhaft aber sinnlich durch ihre farben, die skulpturen unbehauene bruchsteine, bespickt von pergamentnen flügeln. kunst, ausgestellt auf und über den gestellen der produktionsanlagen, mittendrin, ein abgesang. die ganze nacht der er- öffnung blies ronald roik auf seinem waldhorn.“ in den galerieräumen der gebr. lehmann selbst geht es mit michael freudenberg weiter. claus weidensdorfer wird dozent für grafik und malerei an der hfbk. für die hochschulreform sagt er, von sommerschuh zitiert, voraus: „das grundstudium wird wohl bleiben, aber sonst verändern sich die bedingungen wesentlich. die studenten müssen sich das studium jetzt selbst gestalten, an ihnen liegt es, was sie aus der zeit machen. hochschulwechsel, gastdozenten, das ist alles möglich und wird auch gefördert.“ kurz vor dem ende seiner laufbahn als dozent an der hfbk steht günter horlbeck. schon seit 1952 lehrt er dort grafik und malerei. nach seiner emeritierung 1994 zieht er nach leipzig. für ihn ist die malerei „befreiung und hoffnung zugleich. sie verwandelt schlechte zeiten in glückhafte stunden, zwänge in visionen. sie lässt die träume unver- fälscht in ihren reinsten farben weiter blühen, konserviert unsere besten gefühle.“ ein weiterer wichtiger dozent an der hfbk ist siegfried klotz, seit 1988 leiter für das grundstu- dium der malerei und grafik, der bereits internati- onal beachtliches geleistet hat. 1988 ist er auf der 43. biennale in venedig zu sehen, 1989 und 1990 auf der international art exposition chicago. in farblicher und formaler gebrochenheit arbeitet er sich in diesem jahr an den dresdner architektu- ren wie der brühlschen terrasse oder dem dresdner schloss (trotz alledem) ab. über sich, seine künstlerische arbeit und die aufgeregte atmosphäre dieses jahres schreibt klotz: „ich betrachte meine arbeit als künstler, die menschen in unserer hektischen zeit zur ruhe
85 und besinnung zu bringen. in meiner künstleri- schen arbeit versuche ich, über das abbild zum sinnbild zu gelangen. ich möchte das ,geheimnis‛ in der wirklichkeit entdecken. mir geht es in mei- nem künstlerischen schaffen um eine vergeistig- te sinnlichkeit. meine bilder sollten betrachter zu einer stellungnahme auffordern, entweder dafür oder dagegen.“ das architektonische erbe von dresden ist 1990 ein ständiges und zentrales thema. es ist einfach zu augenscheinlich, wenn man durch die grob gepflasterten straßen holpert, vorbei an abrissreifen häusern. bernhard theilmann: „eine stadt zerbrach zwischen anspruch und wirklichkeit. das augustäische dresden, elb- florenz, weltstadt der kunst – hochstapelnde namen, während wohnhäuser zerfielen, straßen unter der wucht der bahnen aufbrachen. historische gebäude zerkrümelten im smog schneller als res- tauratoren restaurieren konnten. die neubauten, oft von ausgesuchter hässlichkeit, zerrupften die stadt oder ballten sich zu schlafslums. architekten in dresden wie der ganzen ddr ließen sich zu tätern der neuzerstörung machen. die sich mutig gegen den missbrauch ihrer zunft stellten, waren zu wenige.“ wehmütig schreibt detlef krell: „die semperoper ist in einem zug entstanden. das schloss wuchs seit dem 12. jahrhundert, bis es in einer nacht starb.“ um 1990 zutritt zum schloss zu bekommen, muss der besucher, so krell, „über ziegelschutt, holz- balken“ und „gesteinsbrocken“ steigen, „zwischen grünumrankten ruinenwänden, bizarr verformten, schmiedeeisernen gittern, spuren gotischer, baro- cker, klassischer episoden achthundertjähriger bau- geschichte des dresdner schlosses“ laufen. „steil aufragen an den mauern die stahlgerüste, als ob sie wie eine klammer unabwendbaren zerfall aufzuhalten suchen.“ im stadtmuseum zeigt die ausstellung „er- innerung an den herbst ’89“ von künstlern für die demonstrationen geschaffene transparente, gedächtnisprotokolle, dokumente der gruppe der 20 und fotografien.
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87 die wiedervereinigung. dekadance im bärenzwinger und in der scheune. katharina kretschmer will ver- nünftig sein, aber „es geschehen noch zeichen und wunder“ (nils burwitz). 3. oktober 1990. deutschland ist wieder ein geeintes land! der tag wird auch in dresden mit feierlichen zeremonien und fröhlichen volksfesten gefeiert. mit glockenläuten und feuerwerk wird dertageingeleitet.vortausendenmenschenspielen um 24 uhr die blechbläser der staatskapelle von der exedra der semperoper die nunmehr ge- meinsame deutsche nationalhymne. „es ist der glücklichste tag der deutschen“, so die bisherige volkskammerpräsidentin sabine bergmann-pohl in ihrer rede in der berliner philharmonie, und richard v. weizsäcker: „zum ersten mal bilden wir deutschen keinen streitpunkt auf der euro- päischen tagesordnung“. evelyn müller mahnt als präsidentin der stadtverordnetenversammlung auf der festsitzung: „es liegt in unseren händen, aus der gegebenen chance etwas zu machen. die freude über die wiedervereinigung muss die auf- merksamkeit für alle probleme wachhalten.“ oktober der 3. oktober 1990 ist auch der tag, an dem auf der albrechtsburg in meißen der freistaat sachsen wiedergegründet wird. wie bereits bei den volkskammerwahlen, so macht auch bei den ersten landtagswahlen am 14. oktober wiederum die cdu das rennen und wird stärkste partei. kurt biedenkopf wird zum ersten ministerpräsidenten des freistaates sachsen gewählt. der 3. oktober gehört aber nicht nur der deutschen einheit. auch unabhängig davon er- eignen sich große dinge. frank apel, ein einge- fleischter cineast, gründet mit dem nickelodeon das erste programmkino in den neuen bundes- ländern. ganz besonders gehört dieser tag der dresdner kultband dekadance. bandleader bert stephan, der „brutale hansi“ an der geige und gabi schubert, ab 1993 schlagzeugerin und parodie ihres bruders olaf, werden später zu bundesweiter bekanntheit gelangen. lokal betrachtet sind sie schon damals von weltbedeutung und bringen die vereinten dresdner herzen zum rasen. deka- dance spielt in der formation des frisch gegrün- deten „the new fantastic art orchestra of the north“ im bärenzwinger und eine halbe stunde darauf mit ihrem programm „wir seiern mit“ in
88 der scheune. im tagestipp der sax steht: „allerdings muss man der musik, die eine mischung aus wohl fast allem ist, was es so gibt (ausgenommen viel- leicht mozart, aber sicher ist das nicht), schon eine gewisse einmaligkeit bescheinigen. ihre konzerte in der scheune, vor allem zum alljährigen band- geburtstag, sind fast schon legendenumwoben. außerdem gingen und gehen aus der band immer wieder neue projekte hervor, was die szene er- heblich belebte (...). also, nischt wie hin.“ in der gemäldegalerie eröffnet die ausstellung „ausgebürgert – künstler aus der ddr 1949–1989“ mit 170 künstlern. initiiert ist die ausstellung mit einem sehr überschaubaren budget von werner schmidt, dem generaldirektor der staatlichen kunstsammlungen. da es ihm zu ddr-zeiten na- türlich verboten war, kunstwerke von dissidenten zu erwerben, hatte er die kunst des „sich-beschen- ken-lassens“ zur perfektion gebracht – und eine wirklich beachtliche sammlung zusammengetragen. im ausstellungskatalog ist von klaus werner zu lesen, „grenzen sind schräg“ und „neben dem mut zu gehen, gab es auch den mut zu bleiben“. natürlich machte die republikflucht oder die aus- bürgerung – das „wegbleiben“ – alleine natürlich noch keinen besseren künstler, wie die autorin petra kipphoff mahnt. und die gebliebenen sind dazu gezwungen, sich zu fügen oder geschickt an- zupassen, und dabei auch mit subversiven mitteln eine findige bildsprache zu entwickeln, welche von derobrigkeitnichtangreifbarodernurschwerinter- pretierbar ist. auf einer schrifttafel in der aus- stellung ist zu lesen, so erinnert jürgen hohmeyer sich: „665 bildende künstler verließen ihre heimat. der vorgang ist in seiner dimension in deutsch- lands geschichte beispiellos.“ zu sehen sind unter anderem (frühe) arbeiten von gerhard richter, a. r. penck, gotthard graubner, günther uecker bis hin zu georg baselitz und gerhard hoehme. begleitet wird die ausstellung allerdings auch von einigen spannungen. kaum einer der gezeig- ten künstler erscheint zur eröffnung. von richter sind nur „kuriose frühwerke“ präsent, penck steht im mittelpunkt, so jens-uwe sommerschuh in der sax: „es sollte nach dem willen des museums-ge- nerals [werner schmidt] eine ‚ehrenpflicht’ erfüllt werden, es ging also um rekapitulation, demons- tration, wiedergutmachung, symbolik. nicht der
89 kunst galt das erste augenmerk also, sondern dem künstler. und der war weniger als künstler denn als politisches opfer oder politischer akteur interessant. und das sieht man der ausstellung auch an.“ über gerhard richter, der 1961 von dresden nach düsseldorf zog, schreibt sommer- schuh im zusammenhang mit „ausgebürgert“: „in der ausstellung ‚positionen‛, die vor knapp vier jahren auch im albertinum zu sehen war, hingen damals neueste abstraktionen, virtuose farbflüsse, so aufgeregt und so nobel, so orgiastisch und so intelligent, wie malerei nur sein kann. ein kleiner- formatiges gemälde dieser art von 1983 befindet sich in der jetzigen ausstellung. (…) in dieser aktu- ellen ausstellung jedoch ist richter nicht viel mehr als eben ein ‚ausgebürgerter‛.“ das bildnis angela hampel von scheffler hängt im letzten raum neben die „türbalken gequetscht“, hätte aber durch seine faszination eine eigene wand verdient, so som- merschuh, der sich immer stark für die dresdner sezession 89 einsetzte. werner schmidt räumt selbst ein, dass es weniger ein künstlerisches, als ein historisches unternehmen war und die kunst als „vehikel“ diente. johannes heisig kündigt in einer vollversammlung der hfbk am 10. oktober seinen rücktritt an. vier tage zuvor, am 6. oktober feiert er noch fröhlich und erleichtert die vernissage seiner ausstellung mit malerei, grafik und zeichnung in der galerie rähnitzgasse. manche künstler scheinen einfach kein glück mit dresden zu haben. penck zählt dazu, heisig, beck- mann sind hier vom pech verfolgt. abenteuerlich ist auch, was gotthard graubner hier erlebt. zu- nächst studiert graubner 1947/48 an der berliner hochschule für bildende künste und wechselt dann an die dresdner kunstakademie. sein pro- fessor, wilhelm rudolph, aber wird entlassen, der schüler gleich mit exmatrikuliert. 1951 wird graubner zwar wieder zugelassen, ein jahr später aber erneut exmatrikuliert. 1954 verlässt er die ddr endgültig. er wechselt an die kunstakademie düsseldorf, wo er bis 1959 weiter studiert. erst im jahr 2000 werden seine arbeiten im schloss und im albertinum präsentiert: die sächsische akade- mie der künste gibt einen begleitkatalog heraus.
90 in der neuen dresdner galerie sind zur 26. dresdner kunstauktion hundert ausgewählte grafiken zu besichtigen. frank panses malerei erfreut die kunstliebenden gemüter in der galerie nord. der in pethau geborene und an der hfbk studierte theatermaler zeigt seine arbeiten dieses jahr wie petra kasten auch im laaren museum in holland. in der galerie kunst der zeit kann man grafiken von maria adler-kraft und in der kunstausstellung kühl malerei, grafik und zeichnung von werner wittig bewundern. gundula schulze nimmt eine einladung des folk- wang-museums in essen an und fotografiert und schreibt dort wie eine besessene. anders als die vertreter des „krefelder horrortrips“ lernt sie den westen im schutz eines stipendiums kennen. im mai 1991 werden die fertigen bilder in der aus- stellung „der esel küsst das pferd“ in der galerie mitte von karin weber gezeigt, gemeinsam mit stefan nestler und tanja zimmermann. karin weber führt seit 1984 die auf sächsische gegen- wartskunst spezialisierte galerie, seit 1994 ist sie deren inhaberin. von einem arbeitsstipendium im westen wagt die spätere malerin und grafikerin katharina kretsch- mer noch gar nicht zu träumen. sie will vernünftig sein und nimmt mit 19 jahren erst einmal ein studium an der pädagogischen hochschule auf, fachrichtung deutsch und kunsterziehung. ist das etwas solides? oder braucht es einfach ein wenig mehr anlaufzeit, um die aufnahmeprüfung an der kunsthochschule zu packen? ein jahr später jedenfalls immatrikuliert sie sich an der burg gie- bichenstein in halle. erst steigt sie bei der textil- kunst ein, sattelt dann aber unter der obhut von frank ruddigkeit und ronald paris an der hfbk auf malerei und grafik um und setzt damit auf das (für sie) richtige pferd. in ihrer arbeit spiegeln sich afrikanische einflüsse wider und auch das urmenschliche thema der mutterschaft ist bei ihr sehr präsent. damit kennt sie sich aus, als mutter von vier söhnen. und hat es dennoch geschafft, den fuß im steigbügel der kunst zu halten. eine aus dresden nicht wegzudenkende persön- lichkeit ist elke hopfe. nach der ausstellungser- öffnung in stuttgart bei döbele beginnt im okto- ber nun das wintersemester mit neuen und alten
91 studenten. seit 1988 ist hopfe dozentin an der hfbk im grundlagenstudium und wird später (1992) zur professorin für grafik berufen. ein posten, den sie bis 2010 erfolgreich mit leben erfüllt und viele ausgezeichnete junge künstler auf den weg schickt. über sich selbst schreibt sie: „ich glaube schon, dass ich eine einheit mit meinen zeich- nungen bin, vor allem müsste meine haltung, das heißt echte anteilnahme an den menschen, deutlich werden, auch, dass ich versuche, etwas über das wesen, die inneren zustände eines menschen und nicht nur das äußere deutlich zu machen. das por- trät spielt bei mir eine wesentliche rolle, da mich die menschen mit der großen spanne zwischen geburt und tod am meisten interessieren, der einzelne als zugleich einfachste und komplexeste form menschlichen seins.“ arno mohr, ebenfalls maler und grafiker, sagt über die kollegin: „das ist kunst ohne effekthascherei, in der wesentliches, menschliches ganz von innen langsam nach außen tritt und immer intensiver wird. diese fast tage- buchartigen, sparsam gezeichneten ,lebensalter‛ ermöglichen einblicke, die an wesentliche grund- werte rühren.“ leonore adler ist ab dem 20. oktober in der ga- lerie comenius zu sehen. es ist vorerst die letzte ausstellung in der bautzner str. 22, denn die be- sitzer des grundstücks haben damit etwas luk- rativeres vor als eine kunstgalerie. die dresdner sezession 89 lässt sich davon nicht beeindrucken, „unterbuttern“ schon gar nicht. sie setzen sich da- für ein, dass es weitergeht wie bisher, „(...) auch wenn kommende vorhaben damit zunächst ver- zögert bzw. gestoppt werden könnten (…).“ auf jeden fall müssen sie sich mittelfristig ein neues domizil suchen, können aber noch bis 1992 blei- ben. dann aber wird die galerie abgerissen und die künstlerinnengruppe zieht weiter in die räume der bis 1991 als kommunale galerie betriebenen galerie nord. auf leonore adlers bildern zeigen sich angst und schmerz. henrik weiland formuliert in reiterin einen endlossatz über ihre aktuellen arbeiten, es seien „zerkrümmte körper, manchmal nur in der andeutung zu entdecken bzw. nach längerem su- chen (…), körper/köpfe als psychogramme zwi- schen abwendung und fremdheit sowie nähe und lebenslust, allemal sezierend und beißend in ihrer unmittelbarkeit und schwermütigen umfassenheit, doch angst nie als destruktiven, verheerenden
92 feind, angst als, so paradox das erscheinen mag, animierenden, ja motivierenden gegner, um aus traurigkeit und resignation herauszufinden.“ unter der rubrik „biete job“ sucht die „gutgelaunte schlossbesatzung“ der kulturanstalt schloss ni- ckern für einen „großen gag“ einen möglichst „miesepetrigen, unzuverlässigen busfahrer für gelegentl. abendl. zubringerfahrten“. fahren soll dieser dann „den schon gekauften nickernbus“. die sax-redaktion vergrößert sich und sucht neue räume unter anderem für ein „druckereiprojekt“. wichtig: „telefon notwendig“. das muss man 1990 in eine anzeige dezidiert hineinschreiben! außer- dem intensivieren sich die beziehungen zwischen den elbestädten dresden und hamburg: „hanse- at, 37 j., sucht nette und intelligente dresdnerin für briefwechsel. spätere elbspaziergänge (blan- kenese oder blaues wunder) nicht ausgeschlos- sen. hein diekmann, efeuweg 7, 2000 hamburg 60.“ ob hein seine dresdnerin gefunden hat?
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95 rückblende: frage der stasi an eberhard göschel (1985): „wer gab ihnen den auftrag?“. container-kultur in der altstadt und die zukunft des leonhardi-mu- seums. hans joachim meyer wird am 8. november 1990 sächsischer staatsminister für wissenschaft und kunst und bleibt dies bis 2002. in der galerie süd veranstaltet nils burwitz am 9. november im rahmen seiner ausstellung „es geschehen noch zeichen und wunder“ das happening „deus ex machina“. geboren 1940 in swinemünde, aber in südafrika aufgewachsen, ist er besonders sensibilisiert für gesellschaftliche ge- rechtigkeit. weltläufig und in den besten samm- lungen für moderne kunst vertreten, ist er ein offener geist. für ihn gibt es nichts schlimmeres als sinnlose mauern und grenzen, welche die menschen voneinander trennen. so ist auch die apartheid in seiner zweiten heimat südafrika für ihn ein schmerzhaft wunder punkt. tausende kilo- meter tourt er dieses jahr von spanien aus, wo er seit 1976 mit frau und drei kindern lebt, durch ganz europa. „vielleicht mit ein bisschen trauer, dass er noch nicht bis leningrad kommen wird (…),“ so tomas petzold in der dnn. in der kleinen galerie süd nun bittet burwitz studenten mit 15 cm hohem flachblei die grenzen november der ddr zu rekonstruieren und im raum aufzu- bauen. mit einem „unerklärlichen, mysteriösen bühnentrick“ stellt er seine eigene version des mauerfalls dar: dann fällt die mauer nicht, sondern sie „entschwebt“, wird gehoben – wie ein vorhang, ein eiserner, oder ein bleierner eben. in seiner ansprache sagt burwitz: „heute am 9. november 1990 wünsche ich euch, liebe freunde, die gewiss- heit, dass ihr in sachsen nicht von den westlichen bundesländern einverleibt werdet; ich wünsche euch die innere gewissheit, dass ihr über alle brüderlichen machtansprüche hinaus glücklicher- weise in ein vereintes europa mit eingegliedert werdet. im gegenteil, ihr seid hier in der vorhut, die den brückenschlag zu einer in richtung osten vergrößerten europäischen gemeinde in die wege leiten wird. der befürchtete ausverkauf auf materieller ebene kann nicht die geistige selb- ständigkeit antasten. ideen sind verkäuflich, aber um geistiges gut kann nicht verhandelt, nicht ge- feilscht werden. das ist die freiheit, die ich meine. war es doch gerade der hebelarm geistiger schwungkraft,derindenfrühenoktobertagendes vergangenen jahres ein festgefahrenes system aus seinen angeln hob. mit erstaunlicher, gewaltiger geistiger anstrengung und selbstbeherrschung
96 wurde keine blutige revolution inszeniert, sondern ein umdenken provoziert, das zum gewaltlosen einlenken, einsehen führte.“ die ausstellung wird am jahrestag des mauerfalls eröffnet. tomas pet- zold schreibt über die durch und durch politisch aufgeladene schau von burwitz: „noch gibt es überall viele mauern, die abzureißen sind. oder einfach niederzutrampeln, wie es die besucher der galerie süd an jenem abend mit einer minia- tur aus blei tun konnten.“ weiter geht es in der galerie noch im gleichen monat mit malerei, collagen und zeichnungen von werner schellenberg. die galerie colorado zeigt ab dem 23. november malerei, grafik und „rakuinspirierte keramik“ von christine-elke siml. die eröffnung wird begleitet von einer teezeremonie und japanischen reiseimpressionen von siml und ludwig zeppner. in diesem monat gibt es viele neue ausstellungen, so auch die mitgliederausstellung in der galerie kunst der zeit. am 18. november geht es nach frank panse in der galerie nord mit malerei, zeichnungen und objekten von jochen fiedler, petra graupner und arend zwicker weiter. karin weber feilt an den letzten zeilen für ihre lauda- tio, die sie zu ihrer vernissage halten wird: in der galerie mitte eröffnet die dresdner sezession 89 ihre ausstellung mit künstlerinnenporträts. und das leonhardi-museum präsentiert kleinplasti- ken und grafiken von ilona selbmann. das von vinzenz wanitschke auf der rekonstru- ierten brühlschen terrasse geschaffene planeten- ensemble wird zugänglich. die „zerklüftete erde“ ist das zentrum der zehn mal zehn meter großen fläche. umgeben ist sie von sieben bronzeplatten, welche die bastionen symbolisieren, „die august der starke 1721 nach planeten benannt hatte“, so christel hermann und dr. karlheinz kregelin in ihrem „dresdner kaleidoskop“. ab dem 18. november lädt die 1924 gegründete kunstausstellung kühl, und damit älteste verkaufs- galerie in sachsen, zur angebotsausstellung des 20. jahrhunderts ein. von der „brücke“ bis zur gegenwart sind grafik, plastik und malerei zu sehen mit künstlern wie eberhard göschel, os- kar kokoschka, käthe kollwitz, christian rohlfs,
97 reinhard springer und gudrun trendafilov. jens- uwe sommerschuh schreibt nicht nur über die schau, sondern bringt auch licht in die traditions- reiche geschichte dieser dresdner galeristenfamilie: „dass johannes kühl kein galerist der seidenen sorte ist, keiner von jenen, die mit spitzen fingern auf dem klavier des kunstmarktes klimpern, rührt weniger daher, dass es hiero keinen markt an sich, sondern sozusagen den staatlichen handel gab, als daher, dass kühl selbst maler ist. mit dem ver- kauf von werken anderer reich zu werden, ist ihm, (…) aus tiefster seele suspekt.“ johannes kühl hat die galerie 1965 von seinem vater heinrich über- nommen. ihm ist es von anfang an wichtig, „die tradition der angebotsausstellung fortzuführen. das war mitunter schwierig, weil manche großen künstler hier offiziell nicht als groß, sondern als dekadent galten (…). so durften eines jahres chagall und picasso auf der einladung zu einer grafikaus- stellung nicht erwähnt werden, ‚weil wir es nicht nötig haben, für kapitalistische künstler reklame zu machen‛, wie beim rat der stadt verlautete, der den druck des papiers wohlwollend zu genehmi- gen hatte. solche tabus fielen aber nicht erst mit der mauer, und so ist kühls 1990er jahrhundert- ausstellung jenen, die noch in grauer, unfreier vorzeit, (…), ist jenen also durchaus vergleichbar. auch die schilder an den werken werden noch im- mer mit derselben schreibmaschine getippt.“ ende november kauft die dix-sammlung in gera die gezeigten drei blätter von otto dix, die farblithografie kreuzigung i von 1949 sowie zwei lithografien aus der 1960er folge zum matthäus- evangelium an. viele der gezeigten werke gehen denn auch in öffentliche sammlungen, unter ande- rem ins dresdner kupferstich-kabinett. sommer- schuhs fazit zu dieser ausstellung: „schön ist auch, dass bei kühl das 20. jahrhundert nicht schon zu ende ist, dass er also auch jüngere künstler be- rücksichtigt hat, die zwar schon aufmerken ließen, aber noch nicht mit einem sich rundenden œuvre aufwarten. gudrun trendafilovs zeichnungen bei- spielsweisegehörenzumbesten,wasderdresdner kunst der letzten jahre zugewachsen ist; in aller stille (…).“ wie wichtig gudrun trendafilov für dres- den ist, zeigt auch ein lange vorher erschienener dreiseitiger artikel über die malerin in reiterin. im a3-format wohlgemerkt! neben dem text werden ganzseitig (!) eine bleistiftzeichnung mit gouache (selbst, 1987) sowie zwei weitere bilder in mischtechnik abgedruckt.
98 was später erfreulicherweise nicht mehr zu finden, 1990 aber noch omnipräsent ist, und sogar die bauweise einiger hotels wie dem „dresdner hof“ prägt (dort aber nicht im sinne von „stil“ oder „front-“, sondern eher von „backend“), das ist die gute familie „stasi“. die sax veröffentlicht dazu in diesem monat ein historisches, doch sehr spezi- elles „interview“ unter dem titel „aus der „arbeit des mfs“. für die wiederherstellung der ordnungs- mäßigkeit“: die mitarbeiter der stasi unterhalten sich am 23. september 1985 exklusiv über zeitge- nössische kunst, genauer genommen über land art. nur weil diese geheimdienstmitarbeiter mit kreativen köpfen über moderne kunst sprechen wollen, heißt das aber noch nicht, dass sie kunst- sinnig sind oder auch nur im ansatz verstehen, was eigentlich der sinn dahinter ist, landschaften einfach abzuändern und als kunst zu deklarieren. – und das auch noch ohne genehmigung! hintergrund ist eine inoffizielle, wie sich später herausstellt sogar illegale, in den augen der stasi-leute offenbar kriminelle land-art-akti- on. am 31. august war eberhard göschel mit seinen kindern und seinem bruder, thea rich- ter und ihren töchtern, familie wegscheider, radicke, michael wüstefeld und freunden, bern- hard theilmann und familie in aller frühe losge- zogen zur tschechischen grenze. mit picknick, pinseln und ein paar farbeimern im leiterwagen, um abgestorbene, jämmerlich silbergrau in den himmel klagende fichtenstämme hellgrün anzu- malen – das ist in der ddr verboten! die stasi inte- ressierte vor allem: „wer gab ihnen den auftrag?“ göschel antwortete „was soll die frage? in jedem sommer führen wir ähnliche aktionen in der natur durch. wir bauten ein riesiges heuzelt, das der sturm dann umwarf. ein vogelbeerbaum wurde mit papierstrick eingesponnen, schneefiguren malten wir an und beobachteten, wie die sonne neue plastiken schmolz. (...)“ die ddr behandelte die aktion als staatsfeindlichen akt. in der folge wird das landhaus von eberhard göschel verwüstet. göschel wird als ideengeber zu einer zahlung von 430,44 m verdonnert. das geld wird „für die wieder- herstellung der ordnungsmäßigkeit“ erhoben. na klar: kratzen damit hilfsarbeiter die farbe von den abgestorbenen bäumen wieder ab? neben den bröckelnden und dunklen fassaden der altbauten mit ihren gewächsen auf dem dach mutieren im dresden von 1990 container zu ei-
99 nem interessanten architektonischen phänomen. sie werden an jeder ecke aufgestellt und für alle möglichen zwecke genutzt, wie weirauch in der sax erörtert. sie dienen als reisebüro, als wurst- bude, als schuhgeschäft. aber das ist noch lange nicht alles: „in schlössern kann man regieren, in domen kulte abhalten, von türmen gucken, in pavillons dinge ausstellen. in containern hinge- gen kann man wohnen, baden (nasszelle), kaufen und verkaufen, informieren, reisen buchen, ver- sicherungen abschließen, sparkonten eröffnen, werben, essen und trinken, kochen und braten, kühlen, spezialitäten anbieten, sich erleichtern, telefonieren, kunst ausstellen, stapeln, lagern, müll reintun.“ dresden sei, so weirauch, zu einem „conti-tal“ geworden – alles nur, um mit der rasan- ten entwicklung schritt zu halten. schon seltsam, dass heute wieder container mangelware sind ... die brüder lehmann annoncieren anlässlich ihrer ausstellung „balance der gefühle“, dass die idee für eine ausstellung mit „geometrischen komposi- tionen“ der dresdner künstlerin inge thiess-bött- ner schon lange bestehe. als anlass wird der 66. geburtstag der künstlerin gewählt – einer frau, die nicht kleinzukriegen war, von niemandem. der freiheitsgedanke und die freude auf die neuen möglichkeiten, sich zum ausdruck zu bringen, aber auch eine bittere vergangenheit sprechen daher aus diesen zeilen der lehmänner: „mittlerweile ist inge thiess-böttner rehabilitiert worden. ein dop- pelter grund zum feiern? verschiedenste behinde- rungen konnten sie nicht davon abbringen, ihren individuellen weg zu gehen. wünschen wir ihr nun ungehinderte ausstellungsmöglichkeiten und dass sie die ihr zukommende wertschätzung erfährt!“ die umtriebige künstlerin hatte nach studien bei ernst hassebrauk und wilhelm lachnit in vielen unterschiedlichen bereichen für theater, film und fernsehen gewirkt. unter anderem hatte sie die unvergessenen kultfiguren des ddr-kinderfern- sehens „flax und krümel“ entworfen. bei den lehmann brüdern folgt als nächstes ein sportliches doppel von tobias stengel und ale- kos hofstetter mit der fünfte arm – und neben der moutonierten kunstfabrik die zweite gemeinsame ausstellung in diesem jahr. auch in der scheune ist kunst zu sehen: peter koch präsentiert seine malereien bis zum 3. dezember
100 und anschließend folgt markus retzlaff. der in meißen ausgebildete porzellanmaler studiert später bei claus weidensdorfer malerei und grafik und gründet das atelier oberlicht in altkötzschenbroda. zunächst als ateliergemeinschaft mit sechs künst- lern aufgebaut, wird das atelier seit 2009 als pro- duzentengalerie betrieben. die kleine galerie zeigt zum gleichen zeitpunkt eine ausstellung unter dem titel „genius loci (?) – das künstlerhaus zu dresden loschwitz“. es sind fotografien von wer- ner lieberknecht, der in seinen bildern einen ma- gischen ort dresdens eingefangen hat, einen ort, an dem so viele große dresdner künstler gelebt und gearbeitet haben, und im nächsten monat deshalb noch mehr aufmerksamkeit erhält. wie so oft in diesem jahr der veränderungen werden die weichen für die zukunft neu gestellt, bedürf- nisse und gestaltungsmöglichkeiten ausgelotet: ende des jahres treffen sich repräsentanten der stadt mit mitgliedern der leonhardi-erbenge- meinschaft, um über die zukunft des leonhardi- museums zu sprechen. es kommt überraschend einfach zu einer einigung, indem die stadt das an- gebot der erbengemeinschaft annimmt: das ge- bäude soll weiterhin im sinne seines begründers eduard leonhardi genutzt werden, womit vor al- lem eine lebendige, zeitgenössische kunst in und aus dresden durch ausstellungen gezeigt und ge- fördert werden soll. im gegenzug verpflichtet sich die stadt, gemälde des landschaftsmalers in mu- sealer qualität auszustellen und somit im visuellen gedächtnis zu halten. abgeschmettert werden aber die pläne der ag leonhardi. ihre idee war es, das museum zu einem verein und als „zentrum zeitgenössischer bildender kunst“ auszubauen. wie die kunsthistorikerin angelika weißbach be- richtet, löst sich die ag daraufhin auf. der gedanke seines gründers emil august eduard leonhardi bleibt somit auch nach seinem tod im jahr 1905 lebendig und hat sich erfolgreich durchgesetzt. die wende und der systemwechsel sind in diesem jahr natürlich ein dauerthema, so schreibt die redaktion von reiterin: „nur selten kommt es bei den akrobatischen übungen der geschichte zu einem absturz, der den exitus eines gesellschaft- lichen systems zur folge hat. im allgemeinen überleben staatsordnungen ihre bürger. individuell wird täglich gestorben, der staatsexitus aber zählt
101 zu den außerordentlichen ereignissen im leben der menschen. es sind die tage des millionenfa- chen individuellen überlebens einer geschicht- lichen epoche – ein sieg des einzelnen über das ganze.“ die inhaltliche auseinandersetzung der künstler mit dem thema wende zeigt sich in der künstlerischen interpretation. natürlich bewegt es auch sie, dass sie in diesem einen jahr ihr eige- nes praktisches und alltägliches leben, ihre exis- tenzsicherung komplett reorganisieren müssen. gleiches gilt für die galeristen und kunsthändler. den meisten gelingt das überraschend leicht und mit bewundernswertem humor und optimismus. viele orientieren sich international: das zent- rum für kunstausstellungen in der rähnitzgasse präsentiert den preis für junge europäische foto- grafen 1990 für nichtkommerzielle fotografie. via lewandowsky, mit micha brendel und else gabriel ehemaliger „autoperforationsartist“, der wohl einflussreichsten performancegruppe der ddr, zieht es nach der wende sogartig in die weite welt hinaus. seine ausstellungen in berlin, paris, boston, malmö und new york halten ihn gehörig auf trab! eine enorme erleichterung der lebensbedingungen bedeutet die wende für ernst günther neumann. nachdem sein meister wilhelm lachnit von der dresdner kunstakademie verdrängt wurde, ge- hörte auch neumann zu einer „gescholtenen ab- solventengeneration“, wie der berliner kunsthis- toriker joachim pohl zu neumanns vernissage in stuttgart in erinnerung ruft. vorgeworfen wurden lachnit und seinen schülern „modernismus und formalismus – ein gespenst während der noch völlig vom stalinismus geprägten 50er jahre“. es trifft „wie ein bann den lehrer und die unbeugsamen unter seinen schülern gleich mit“. die betroffenen künstler gehen entweder in den westen, oder sie entscheiden sich für die innere emigration. wer unter diesen bedingungen als „künstlerisch verdammter“ aber im land geblieben ist, war oft dazu gezwungen, sich über lange strecken mit einem brotberuf, mit werbegrafik und ausstel- lungsgestaltung über wasser zu halten. der 27. november markiert das produktionsende der altbewährten spiegelreflexkamera praktica bx 20. außerdem spielen an diesem tag der fc bayern münchen und der 1. fc dynamo dresden
102 im einmalig ausgetragenen deutschland-cup ge- geneinander. dresden gewinnt mit 1:0, auch wenn die besten dresdner spieler matthias sammer und ulf kirsten den verein zu diesem zeitpunkt bereits verlassen haben. allerdings erkennt der dfb das spiel nie offiziell an. der deutsche fuß- ball-verband der ddr hat sich eine woche zuvor aufgelöst.
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105 von hochschulinternen und -externen querelen, su- perstars, käseglocken, pferdeäpfeln und einem bren- nenden coffeeshop. johannes heisig tritt zurück. ganz im zeichen der wiedervereinigung stehen die wahlen zum 12. bundestag am 2. dezember. mit 43,8 prozent ist die union klarer sieger, gefolgt von der spd mit 33,5 prozent und der fdp mit 11 prozent. die grünen kommen auf klägliche 3,8 prozent. die ehemalige dresdner musik- und russischlehrerin renate jäger zieht als mitgrün- derin der dresdner spd in den bundestag ein. als größte herausforderungen bezeichnet sie unter anderem den „zusammenbruch des arbeitsmark- tes“, der eine hohe anzahl von arbeitslosen verur- sacht. mit sorge beobachtet sie das ansteigen von gewalt und fremdenfeindlichen aktivitäten und den „verlust an niveauvoller kultur und morali- schen werten zugunsten von konsuminteressen.“ johannes heisig betrachtet dresden ende des jahres 1990 offenbar als einen ihm feindli- chen ort. im dezember 1989 äußert er sich be- reits erstaunlich kritisch über die haltung vieler ddr-künstler. für sie stelle die bevorstehende wende auch eine bedrohung dar, behauptet heisig in einer rede, die er in hamburg hält, einige künst- ler würden durch die wende nun gezwungen, dezember eine neue, eigene haltung zu finden. und er spricht von dem alten „künstlich aufrechterhaltenen käseglockenklima“ der ddr, das nun ausgedient habe. es habe eine sondersituation geschaffen, „die zumindest ganz anders ist. anders sein, ist ja zu einer qualität an sich geworden. (…) der ddr-intellektuelle empfindet den drohenden ver- lust seiner bedeutung als mahner und warner, als kritisches korrektiv (…).“ heisig beschreibt die großen herausforderungen für die kunsthoch- schulen der ddr. bisher stand immer die aus- bildung der handwerklichen fähigkeiten im vor- dergrund, heute aber könne sich das dramatisch ändern. die visuell-elektronischen medien führten leicht zu dem irrglauben, diese qualitäten seien heute überflüssig. wohl besonders unpopulär ist seine aussage, die die „königin lehre“ rück- sichtslos vom thron schubst: „akademien sollten sich zur ,dreckarbeit‛ des fundamentlegens be- kennen“. sie sollen dazu da sein, die technischen fertigkeiten auszubilden. am 10. dezember tritt heisig für die öffentlichkeit überraschend von seinem amt als rektor der hfbk zurück. die wahrnehmung der hochschule von außen ist eine ganz andere, als die von heisig beschrie- bene – nicht generell vielleicht, aber in den augen
106 der künstlerischen und kulturell engagierten szene dresdens. viele sehen in der hochschule „eine art bastion der sed-kulturpolitik“. verständlicherweise, wie der staatsminister für wissenschaft und kunst, hans joachim meyer, ergänzt. eberhard göschel habe ihm gesagt, „er solle doch das ge- bäude auf der brühlschen terrasse erst einmal auskippen und weiß anstreichen lassen“. während nun unter dem rektorat von arno rink (1987–1994) an der hgb leipzig „ein umge- staltungsprozess“ einsetzt, eine neue hochschule entworfen, zugleich wertvolles aber behutsam behandelt und bewahrt wird, zeigen sich nach hans joachim meyer an der hfbk andere tenden- zen. johannes heisig hat es aufgrund seines fami- liären hintergrundes noch zusätzlich schwer. aus heutiger sicht völlig unverständlich, aber „in dem nun ausbrechenden ost-westkonflikt über die be- wertung der kunst in der ddr“ geht es auch um die künstlerische einordnung von bernhard heisig. seine qualität wird von manchem bezweifelt und angefochten. „für jene, die in der ddr nur sozia- listische auftragskunst erkennen“, ist dieser „be- deutende und gestaltungsstarke maler lediglich ein staatskünstler“, so meyer. auch an der tu gibt es eingreifende verände- rungen: am 11. dezember beschließt der freistaat sachsen, die struktureinheiten für marxismus- leninismus bis zum 1. januar 1991 abzuwickeln. am 7. dezember 1990 wird die lange uhren in glashütte neugegründet, und nomos entsteht. der veb glashütter uhrenbetriebe, einer der größten arbeitgeber der region mit der weltbekannten marke „glashütte original“, hat in den nächsten jahren die schwerste zeit seiner geschichte vor sich: von den über 2.000 mitarbeitern verbleiben zeitweise nur 73 in den erst neu gebauten produk- tionshallen. dresden positioniert sich als alternative filmstadt. nach dem nickelodeon gründet sich am 13. de- zember hier der filmverband sachsen e. v. ganz bestimmt kein staatskünstler ist der ham- burger peter reitberger. als das dresdner foto- grafenpaar christine und günter starke auf ihn zu-
107 kommt und fragt, ob er eine ausstellung in dresden machen wolle, sagt er gleich zu. als reitberger ankommt, ist es schon wieder recht kalt und die ganze neustadt riecht nach kohleöfen. „die neu- gierde der dresdner künstler und meinerseits aufeinander war riesengroß! ich habe dort viele zugetane kolleginnen/en kennengelernt, mit denen ich mich bis dato kollegial austausche und heute noch freundschaftlich verbunden bin. ich habe diese episode als sehr befruchtend und angenehm in erinnerung“, so der künstler 25 jahre später. am 1. dezember wird in der böhmischen straße 22 mit seiner ausstellung auch eine neue galerie er- öffnet: die galerie raute. viele einzel- und konzeptuelle ausstellungen werden jener von reitberger folgen. das konzept der galerie raute ist es, vor allem auswärtige künstler in dresden zu präsentieren. die idee ei- nes künstlerhauses „in einem fiktiven gebäude“ kommt auf, in dem ateliers, druckwerkstätten, galerie und kneipe alle unter einem dach sind. in- itiiert wird das projekt von holger wendland und ullrich wannhof. die beiden vom glück verfolgten bekommen den mietvertrag noch zu übergüns- tigen ddr-konditionen. klar verteilte aufgaben sollen zum erfolg führen: wannhof belebe die ateliers, während wendland die galerie raute und die gleichnamige kneipe zum laufen bringen soll. im hinterhaus richtet irina claußnitzer ihre siebdruckwerkstatt ein. bis zum 6. januar 1991 zeigen helge leiberg, veit hofmann und claus weidensdorfer ihre aktu- ellen arbeiten in der hfbk, an der sie alle studiert haben – wenn auch nicht gleichzeitig. 1984 muss leiberg im zusammenhang mit der intermedia i die ddr verlassen und zieht nach berlin-charlot- tenburg. ihm ergeht es nicht anders als göschel und schleime: aufmüpfigkeit wird „zersetzt“ und auch er kassiert einen „inoffiziellen denkzettel“: in sein dresdner atelier wird vor seiner ausreise ein- gebrochen. danach gefragt, ob sich die arbeits- weisen der drei künstler seit leibergs verlassen der ddr unterschiedlich entwickelt hätten, je nach- dem, ob sie von ihrer umwelt, der „kapitalisti- schen“ beziehungsweise „sozialistischen“ gesell- schaft geprägt werden, antwortet leiberg: „ich glaube nicht, dass viele westdeutsche maler diese ausgrenzungsbotschaft teilen. auch was immen- dorf in einer talkshow sagte, war sicher viel zweck- gerichtete polemik. vielleicht für den kunstmarkt.
108 wir wollten das politikum ‚ausgebürgert‘ oder so ähnlich vermeiden und eher den gegenbeweis antreten. dass leute, die intensiv gearbeitet haben, hier oder dort, nicht auseinanderkatapultierten und jederzeit wieder zusammen können. es kommt doch darauf an, ob du in der zwischenzeit etwas ordentliches gemacht hast.“ claus weidensdorfer äußert sich über die wahrnehmung des ostdeutschen kunstschaffens irritiert: „ich habe das auch von leuten gehört, die nur konsumenten sind, dass hier in dieser zeit au- ßer staatskunst nichts möglich war. und die auf- tragswerke wären alles nur schrott. (…).“ dennoch ist es für die maler im gespräch untereinander schon „irgendwie befreiend“, dass nun keine funktionä- re mehr auf die bilder schauen, wobei sie es auch gleich wieder revidieren. beim arbeiten hätten sie doch sowieso „keine rücksicht auf andere ge- nommen“. „klar, aber das beklemmende ist weg, sich mit holzköpfen auseinandersetzen zu müssen, weil man darauf angewiesen war, zu einer abnahme zu gehen“, so zitiert sommerschuh veit hofmann. in der hfbk zeigt dieser nun teile einer installation, die er im winter 1989 geschaffen und bereits in der galerie süd in prohlis präsentiert hatte: einen raum, der vollständig mit collagen ausgestaltet ist und die atmosphäre einer regelrechten höhle hervorruft. die menschen fühlen sich dort wohl und halten sich sehr lange darin auf. zu seiner rauminstallation sagt hofmann: „ich wollte eine art höhle schaffen, in der sich die menschen sammeln und finden könnten.“ und zwar auch als kontrast zur „völlig sinnlosen, zer- störten gegend“, dem von plattenbauten geprägten stadtteil prohlis. das konzept des gesamtkunst- werks spielt bei hofmann durchgehend eine rolle. in seiner wohnung bemalt er stühle und schrän- ke, gestaltet seine umgebung zum kunstwerk. damals äußern weidensdorfer, leiberg und hof- mann angesichts des umbruchs, der sich vor allem auch auf die galerien auswirke und von ihnen eine neuorientierung abverlange, dass eine „zwangs- lage“ positiv betrachtet „auch eine provokation“ sei: „da kann wenigstens keiner einschlafen“. die drei künstler haben die veränderungen auf jeden fall gut überstanden. am 12. dezember wird der 1952 in berlin ge- gründete verband bildender künstler der ddr aufgelöst. durch die regelmäßige vergabe von aufträgen hatte er den künstlern über viele jahre
109 finanziell sichere verhältnisse gewährleistet. diese sicherheit fällt nun weg, wie camilla blechen unter der überschrift „manhattan und maine. reiseeindrücke sächsischer künstler in berliner galerien“ sieben jahre später in der faz betont. gewonnen waren die vielen freiheiten, deren ge- brauch angesichts prekärer lebensbedingungen wiederum oft verhindert oder erschwert wur- de. von arbeitsstipendien profitierten ein paar jahre später jedoch auch dresdner künstler wie veit hoffmann, rainer zille und stefan plenkers: 1994 können sie mit einem kulturellen austausch- programm nach columbus/ohio reisen und dort arbeiten. viele straßen und plätze sind inzwischen rückbe- nannt worden: der platz der thälmann-pioniere heißt wieder alaunplatz, adressen am hans-beim- ler-platzlautennunaufsternplatzunddietogliatti- straße ist zur glacisstraße geworden. andere zeugnisse des sozialismus verschwinden nach und nach. das monumentale, dreißig mal zehn meter große wandbild der weg der roten fahne (1968/69) von gerhard bondzin am kulturpalast muss mit einem netz bedeckt werden. dies geschieht zur sicherheit der passanten, denn es droht gefahr durch herabfallende betonplatten. aber es gibt auch beeindruckende fortschritte in der modernisierung: erstmals sind die fernsehpro- gramme von zdf und ard im gesamten raum dres- den zu empfangen! die arbeitslosenzahlen sind in- zwischen in schwindelerregende höhe gestiegen: angefangen bei null im oktober 1989 sind es inzwi- schen 18.864 arbeitslose und 55.270 kurzarbeiter. von der „fondation cartier pour l’art contempo- rain“ gesponsert, gelangen vom 9. dezember 1990 bis zum 20. januar 1991 die grafiken eines ame- rikanischen künstlers ins albertinum: weißblond gefärbtes, schütteres, trotzdem lang gehaltenes haar zieren sein von endlos ausschweifenden parties und drogenkonsum ausgemergeltes ge- sicht. seine bilder werden auf europa-tournee geschickt. 85 siebdrucke werden an zahlreichen stationen ein- und ausgeladen: prag, dresden, budapest, belgrad und warschau: es scheint, als sollte der osten mit amerikanischer pop art westifiziert werden. die arbeiten kommen direkt
110 aus dem moma, was jens-uwe sommerschuh in seiner respektlosen rezension nicht davon abhält, die arbeiten mit rossknödeln zu assoziieren: „ich höre es wiehern, das pferd andy, da nun seine äpfel auch durch ein dresdner museum kullern. sie sind nicht aufzuhalten, und wie immer freuen wir uns.“ den mauerfall hat andy warhol nicht mehr mit- erleben dürfen. parallel zur ausstellung finden im bärenzwinger andy-warhol-filmtage statt. am 23. dezember wird die bronxx (angeblich) von skinheads überfallen und zerstört mitsamt den kunstwerken von volker lenkeit, die dort ausgestellt sind. in der silvesternacht brennt der laden aus ungeklärter ursache dann vollständig aus. in reiterin bezeichnet volkmar billig das lokal als „erstes funktionierendes projekt, das dem bedarf an ausstellungsfläche gleichermaßen ent- gegenkommt wie dem an (vor allem nächtlichen) kommunikationspunkten.“ heute befindet sich an seiner stelle die cocktail-bar „canapé“. dass der coffeeshop abbrennt, ist schade und überflüssig. der größere schreck kommt aber erst einige zeit später. sören „egon“ naumann hatte sich nämlich eine ganz spezielle nische geschaffen und als im „michael müller“ verdient gemacht, ge- nauso wie der dichter sascha anderson. sein vor- gängerprojekt in der förstereistraße 2 bereits, das nach außen so anarchistisch und inoffiziell wirkt, war in wahrheit eine gründung der staatssicher- heit – und das wirklich besondere an egons woh- nung: die komplettausstattung mit stasi gespon- serter abhörtechnik. die nicht-staatskonformen künstler sollten sich in falscher sicherheit wiegen und unbedarft drauflos plaudern. mitschnitt in- klusive. betty schöner erinnert sich, wie gerade an- derson sich immer radikal gegen das establish- ment gibt, intellektuelle gezielt „abfischt“, mit ihnen „offen“ und „kritisch“ spricht, und in wirk- lichkeit knüppeldicke bei der stasi drin ist. einer, der „zwischen kunst und konspiration“ nicht so ganz genau unterscheidet, so jörg magenau. keiner weiß, wie viele es ihm zu verdanken haben, dass sie ausgebürgert wurden. wolf biermann enttarnt ihn 1991 und interpretiert den namen anderson mit dem spruch „das a steht für arschloch.“ schriftsteller- und künstlerfreunde, darunter auch cornelia schleime, mit der er im mai 1990 bei gebr. lehmann noch die ausstellung macht, horchte er fleißig aus. wen er bei der stasi als
111 „harmlos“ verkauft, kann sich im nachhinein vom mfs als gefördert betrachten. eine zweifelhafte ehre, um die sich keiner reisst. als zeitgenosse weiß man einfach nicht, woran man ist. der betrug und der verrat sitzen einem noch jahre später mit bleierner schwere in den knochen und lähmen. die galerie gebr. lehmann ist deshalb in der ausgehenden ddr-zeit auch kei- ne politische plattform, sonst hätte es sie schon nach ein paar wochen nicht mehr gegeben. „diese lähmung hat uns in den ersten jahren nach der wende beschäftigt und geprägt. ärmel hochkrem- peln war noch nicht so vorstellbar – einfach weil man noch die angst hatte“, sagt betty schöner jahre später. künstler wie ralf kerbach und helge leiberg werden in den frühen 1980er jahren von naumann und anderson ausgehorcht. solche täuschungen und manöver trotz ausgeprägt kri- tischer haltung nicht erkannt zu haben, zehrt auch am selbstwertgefühl. das hält die lebendi- ge dresdner kunstszene jedoch nicht davon ab, im nächsten jahr, 1991, mit verve und energie das künstlerische schaffen noch stärker voranzutrei- ben. eine ausstellung jagt wieder die andere: holger stark stellt in wandas neuer galerie autogen aus. der von ihr geleitete studentenklub wendel dagegen fällt im januar 1991 den um- strukturierungen der hfbk zum opfer und wird protestlos geschlossen. die blaue fabrik wird ge- gründet. anfang des jahres fängt im „blauen ei“ eine performance der russischen indianer gegen den irak-krieg statt. später nennt sich die gruppe schlicht ruin. die galerie raute geht mit ihrem projekt kartoffel in dresden eine kooperation mit dem leonhardi-museum und der galerie adler- gasse ein. wie viele andere, so bewerben sich auch thomas scheibitz und eberhard havekost an der hfbk. sie bekommen einen studienplatz. später werden sie meisterschüler von ralf kerbach, und noch ein bisschen später hängen ihre bilder unter anderem in paris, london, new york und hong- kong. ein ganz klarer fall für die galerie gebr. leh- mann. 1991 lernen sie im grundlagenstudium erst einmal, wie man mit dem zeichenstift richtig über das papier wetzt, leinwände bespannt, grundiert und die ölfarben am besten anmischt. betty schöner kennt die beiden zukünftigen jungstars damals noch nicht. sie macht sich in der anbrechenden nachweihnachtlichen dezember- dämmerung auf den weg zu ralf und frank leh- mann. mal sehen, ob einer zuhause ist.
112 clubgalerie brücke leutewitzer ring 35, 8038 dresden coffeeshop bronxx alaunstraße 64, 8060 dresden galerie adlergasse adlergasse 14, 8010 dresden galerie comenius bautzner straße 22, 8060 dresden galerie gebr. lehmann institutsgasse 4, 8010 dresden galerie kunst der zeit ernst-thälmann-str. 7, 8010 dresden galerie mitte fetscherplatz 7, 8019 dresden galerie am müllerbrunnen f.-c.-weiskopf-str. 96, 8027 dresden galerie nord leipziger straße 54/56, 8023 dresden galerie ost/leonhardi-museum grundstr. 26, 8054 dresden galerie rähnitzgasse rähnitzgasse 8, 8060 dresden galerien und ausstellungsräume galerie süd herzburger str. 30, 8036 dresden galerie west kesselsdorfer straße 70, 8028 dresden kunstausstellung kühl zittauer straße 12, 8060 dresden neue dresdner galerie, (vormals kultur- bundgalerie, staatl. stadtbezirksgalerie) ernst-thälmann-str. 16, 8010 dresden
113 altner, manfred, dresden: von der königlichen kunst- akademie zur hochschule der bildenden künste 1764–1989, dresden 1990. arnold, klaus-peter, lüder baier – siebzig jahre, in: galerie kunst der zeit, ausst.-kat. 1990, unpaginiert. bäumel, matthias, der samt unter grund. ein buch über andy warhols velvet underground, in: sax, nr. 9, dez. 1990, s. 16–17. berg, stefan, angies vergessene freunde. sechs monate lang regierte lothar de maizières kabinett die ddr. heute verbindet ex-minister und ex-staats- sekretäre nur noch eines: der wunsch nach anerken- nung und einer pension, in: der spiegel, 40/2010. billig, ute; dischereit, sylvia; dieses ganze reden über die deutsche einheit lenkt von den aufgaben ab. aber die sind groß = gestaltung der sozialen skulptur. ein gespräch zwischen johannes stüttgen, ute billig und sylvia dischereit, in: reiterin, nr. 1, s. 10–13. ––, u.a., editorial, in: reiterin, nr. 2, s. 1. ––, frühlingssalon ’90, in: reiterin, nr. 2, s. 6. ––, gespräch mit angela hampel aus anlass ihrer ausstellung in der neuen dresdner galerie vom 15. juni bis 30. juli 1990, in: reiterin, nr. 4, s. 27–28. literaturverzeichnis billig, volkmar, moccafix im bronxx und mehr. ein plädoyer für nacht und neustadt, in: reiterin, nr. 1, 1990, s. 20–21. ––, „beginnt das zersprochene, ja zu sagen.“ gespräch mit sascha anderson am rande einer ausstellung in der galerie gebr. lehmann am 27. mai in dresden, in: reiterin, nr. 3, 1990, s. 11–15. ––; müller, rainer, über die bildnerische innovation zur transformation des kunstbegriffs. gespräch mit dem maler/grafiker/performer erhard monden, in: reiterin, nr. 5, 1990, s. 19–21. ––, gegenbevölkerung in dresden, in: reiterin, nr. 7, 1991, s. 10–11. bischoff, ulrich, von der „hundefrau“ zum städte- bild „dresden bleifarben“. ein zwischenbericht zum malerischen werk von ralf kerbach, in: ralf kerbach. steinbilder, menschenbilder, stadtbilder, ausst.-kat. staatliche kunstsammlungen dresden. gemälde- galerie neue meister, berlin 1998, s. 6–8. blechen, camilla, manhattan und maine. reiseein- drücke sächsischer künstler in berliner galerien, in: faz, 26. april 1997, s. 40. bleier, genia, vinzenz wanitschke. bildhauer, in: marx 2013, s. 194.
114 busch, henrik, gegendruck in zwei systemen, in: eckhardt, f.; kaiser, p. (hg.) 2009, s. 346-349. dresdner sezession 89 e. v. (hg.), 1989 bis 2009. eine chronik, dresden 2009. eckhardt, frank; kaiser, paul (hg.), ohne uns!, kunst & und alternative kultur vor und nach ’89, ausst.-kat., dresden 2009. eckhardt, frank, neuerstanden aus ruinen. gegen- kultur-projekte in dresden nach 1989 – eine unvoll- ständige chronik, in: eckhardt, f.; kaiser, p. (hg.) 2009, s. 350–363. elger, dietmar, gerhard richter, maler, köln 2008. flügge, matthias, eine permanente metamorphose. veit hofmann, in: bildende kunst, nr. 1, 1990. frey, tatjana, über mathias hansen, in: katalog galerie der hochschule für bildende künste, dresden 1990. frommhold, erhard, hubertus giebe. ausstellung in der neuen dresdner galerie. eröffnungsansprache, in: reiterin, nr. 1, 1990, s. 31. ––, zur sprache des bildes bei siegfried klotz, in: bildende kunst nr. 1, 1990. galerie kunst der zeit (hg.), manfred schubert. ma- lerei. grafik. vinzenz wanitschke. plastik, ausst.- kat., 9. februar bis 17. märz 1990, dresden 1990. ––, der baum, ausst.-kat., 23. märz bis 28. april 1990, dresden 1990. ––, lüder baier. holzgestaltung, ausst.-kat., 4. mai bis 9. juni 1990, dresden 1990. golly, i., – dresdner art – im kulturbahnhof thun/ schweiz, in: reiterin, nr. 5, 1990, s. 29. eberhard göschel, hg. vom neuen berliner kunst- verein, berlin 1990. göschel, eberhard; günter „baby“ sommer im gespräch, avisionata, in: sax, nr. 6, sept. 1990, s. 26. günther, ernst, die sarrasani-renaissance. zwei ju- biläen in einem jahr, in: lindemann 1992, s. 80–84. andreas hegewald, ausst.-kat. leonhardi-museum, dresden 1997. heil, gitta, jede linie ist eine gezeichnete heraus- forderung, in: ausst.-kat. galerie am markt gera, gera 1990.
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122 leonore adler (1953) 91 maria adler-kraft 90 alexander „sascha“ anderson (1953) 50 f., 58, 110, 111 lüder baier (1920–2012) 47 georg baselitz (1938) 88 peter bauer (1951) 28, 70 max beckmann (1884–1950) 81 joseph beuys (1921–1986) 17 f., 31 uta billig 18 et passim georg blume (1963) 52 paul böckelmann (1952) 53 f. jürgen traugott hans böttcher gen. strawalde (1931) 27, 61 micha brendel (1959) 101 heiner buhr (1965) 20 nils burwitz (1940) 9, 27, 87, 95 f. irina claußnitzer 107 ina deter (1947) 43 winfried dierske 27 personenregister otto dix (1891–1969) 32, 49, 66, 97 heidemarie dreßel (1943) 75 marcel duchamp (1887–1968) 40 ulrich eisenfeld (1939) 52 conrad felixmüller (1897–1977) 49 jochen fiedler (1962) 96 lutz fleischer (1956) 39, 52 gerhild freese 75 michael freudenberg (1949) 28, 84 else gabriel (1962) 101 györgy ghyczy (1953) 32 hubertus giebe (1953) 33 f., 58, 65 f. raimund girke (1930–2002) 61 hermann glöckner (1889–1987) 50 eberhard göschel (1943) 61, 73, 95 ff., 106 f. peter graf (1937) 27 gotthard graubner (1930–2013) 88 f. petra graupner (1962) 96 angela hampel (1956) 12, 60 f., 89
123 r. j. k. k. hänsch alias ray van zeschau (1964) 59 eberhard havekost (1967) 33, 111 andreas hegewald (1953) 39 f., 49 bernhard heisig (1925–2011) 66, 68 f., 106 johannes heisig (1953) 22, 44, 65, 68, 89, 105 f. christine heitmann (1937) 59 sigrun hellmich (1956) 13 peter herrmann (1937) 27, 73 joachim heuer (1900–1994) 32 gerhard hoehme (1920–1989) 88 veit hofmann (1944) 77, 107 f. alekos hofstetter (1967) 83, 99 elke hopfe (1945) 65, 90 f. günter horlbeck (1927) 84 günther hornig (1937) 81 matthias jackisch (1958) 74 f., 83 wolfgang jeske 48 uta johanna 53 holger john (1960) 42 christiane just (1960–2011) 53 anton paul kammerer 77 petra kasten (1955) 39, 52, 77, 90 eckhard kempin (1941) 61 ralf kerbach (1956) 50, 58 gerhard kettner (1928–1993) 53, 67 siegfried klotz (1939–2004) 84 peter koch 39, 99 oskar kokoschka (1886–1980) 32, 66, 96 käthe kollwitz (1867–1945) 96 klaus kossak (1954) 55 andreas koziol (1957) 49 ingo kraft (1949) 68 katharina kretschmer (1971) 90 andreas küchler 77 wolfgang kühne (1952) 52 gregor kunz (1959) 26 wilhelm lachnit (1899–1962) 32, 99, 101 gerd laubenthal (1958) 68
124 gebr. lehmann 9, 27, 32 f., 50 f., 58, 60 ff., 84, 99, 110 f. frank lehmann (1966) 60, 62, 126 ralf lehmann (1960) 61 f., 117, 126 helge leiberg (1954) 15, 50, 58, 107 ff. volker p. lenkeit (1959) 27 ff., 70, 110 hernando león (1933) 65 f. via lewandowsky (1963) 101 werner lieberknecht (1961) 100 werner liebmann (1951) 65, 67 holger lippmann (1960) 51 jochen lorenz (1949) 73 konrad maass (1952) 32, 52 peter makolies (1936) 27, 44, 50 richard mansfeld (1959) 27 ff., 51 f., 70, 82 wolfgang mattheuer (1927–2004) 61 arno mohr (1910–2001) 91 willy müller 51 otto mueller (1874–1930) 67 gabriele münter (1877–1962) 67 sören „egon“ naumann 25 f., 55, 82, 84, 110 horst naumann (1908–1990) 19 stefan nestler (1962) 90 ernst-günter neumann 101 gunther neustadt (1950–2013) 48 klaus nicolai 13, 42 regina nowacki (1962) 52 osmar osten alias bodo osmar münzner (1959) 57, 60 frank panse (1942) 90, 96 friedrich pappermann (1909–1995) 43 ronald paris (1933) 59 a. r. penck (1939) 26, 47, 73, 88 f. stefan plenkers (1945) 109 gabriele putz 75 claudia reichardt, „wanda“ (1961) 17, 18 ff, 42, 50, 52, 111 peter reitberger (1955) 106 bruni regenbogen (1940) 43 markus retzlaff 100 gerhard richter (1932) 88 f.
125 christian rohlfs (1849–1938) 96 frank ruddigkeit (1939) 90 ursula rzodeczko (1929) 65 ff. hella santarossa (1949) 83 wolfram scheffler (1956) 89 thomas scheibitz (1968) 33, 111 werner schellenberg 96 cornelia schleime (1953) 50 ff., 58, 107, 110 dr. werner schmidt (1930–2010) 44, 74 frank schöbel (1942) 57, 61 jürgen schön (1956) 52 betty schöner (1970) 1 et passim manfred schubert (1929) 20 f. annerose schulze (1947) 75 lasar segall (1891–1957) 49 ilona selbmann 96 hendrik silbermann (1966) 51 christine-elke siml 96 jens-uwe sommerschuh (1959) 40 et passim jörg sonntag (1955) 70 lothar sprenger 37 reinhard springer 37, 97 christine und günter starke 106 holger stark (1960) 111 tobias stengel (1959) 74, 99 armgard stenzel 75 jürgen traugott hans böttcher, gen. strawalde (1931) 27, 61 christian streuer 83 johannes stüttgen (1945) 17 f. gabriele syron (1989) 61 christoph tannert (1955) 12, 33, 74 bernhard theilmann (1949) 71, 84, 85, 98 inge thiess-böttner (1924–2001) 99 gudrun trendafilov (1958) 97 andrea türke (1951) 9 f., 11, 43, 47 günther uecker (1930) 88 max uhlig 44 hannes wader (1942) 43
126 christine wahl (1935) 61 vinzenz wanitschke (1932–2012) 21, 96 ullrich wannhof (1952) 107 andy warhol (1928–1987) 110 karin weber (1960) 90, 96 claus weidensdorfer (1931) 11, 61, 84, 100, 107 f. holger wendland (1956) 107 klaus werner 70 daniel h. wild 83 f., 121 monika winkler 75 werner wittig 90 michael wüstefeld (1951) 98 hannefi yeter (1947) 53 rainer zill (1945–2005) 109 tanja zimmermann (1960) 90 arend zwicker (1958) 96
127 alle fotos stammen von betty schöner. die anordnung erfolgt nicht immer chronologisch, wichtig ist uns vor allem der dokumentarische charakter. januar club „wendel“ hochschule für bildende künste dres- den. nach der ausstellungseröffnung von robert makolies. aktion rumänienhilfe februar christoph tannert bei einer ausstellungseröffnung märz richard mansfeld in aktion vor dem dresdner hof. mit anschließender verhaftung. mansfeld sitzt im polizeiauto. april demo anlässlich der schließung der neuen dresdner galerie mai ausstellungsplakat cornelia schleime, ralf kerbach und helge leiberg sowie ausstellung li: sascha an- derson, re: egon (sören naumann). bildnachweis juni raimund girke zu gast in dresden juli graffiti von alekos hofstätter am goldenen hufeisen august ralf und frank lehmann küche, galerie gebr. lehmann, institutsgasse 4 september vor der galerie der gebr. lehmann in der institutsgasse 4 oktober fensterblick aus der neuen dresdner galerie november ralf lehmann mit inge thiess-böttner dezember vor der szenekneipe bronxx nach dem „skinhead-überfall“
128 erster und oberster dank gilt dr. christoph möllers. seine idee und vision haben dieses vorhaben erst ermöglicht. mit ihrer kritik und ihrem ansporn haben er und adina rieckmann einen fundamentalen beitrag zur textentstehung geleistet. prof. dr. jürgen müller danke für seine be- geisterungsfähigkeit und seinen glauben an meine fähigkeiten als kunsthistorikerin und autorin. danke an nina fischäss für ihre sorgfältigen recherchen zu jahreszahlen, künstlerviten und werken. danke markus maurer und maren mar- zilger für motivation, interesse und frische ideen zur wortgestaltung! ohne die anekdoten und lebhaften erinne- rungen von betty schöner wäre das buch niemals das, was es jetzt ist. danke dafür! sara tröster klemm, november 2015 dank